A geometric ornament consisting of large and small interlaced circles in red, filled with conventionalized greek floral arrangements on light blue.

Detail aus dem Systematischen Atlas der Zementfliesen, D.W. '22

Systematischer Atlas der Zementfliesen

Eine Morphologie kachelnder Designs

Ich sammle gern ornamentale Muster.1. Als ich mir gemeinfreie Kataloge belgischer und französischer Fliesenfabriken anschaute, dachte ich über die geometrische Verwandtschaft aller Ornamente nach. Eine einfache Idee wie aneinandergereihte Kreise ist in endlosen Permutationen ausgeführt, hier mit überkreuzten Balken, dort mit Girlanden gefüllt.2.

Mit dem Systematischen Atlas der Zementfliesen arbeite ich an einem modernen, vollständig vektorisierten Nachschlagewerk von Zementfliesen und ähnlichen Designs der Jahrhundertwende.3. Doch Achtung: Ornamente in Vitrinen stecken heißt Kulturen in Vitrinen stecken.

Ich sehe die großen Weltausstellungen des 19ten Jahrhunderts als Projekte, welche die kulturellen Leistungen aller Nationen in einem einheitlichen Konzept zu assimilieren suchen4. Ornament ist darin ein dominanter Platzhalter für exotische Lokalitäten auf dem gesamten Erdball.

Dies macht die Formel historischer Musterbücher, welche immer noch nachgedruckt werden, durchaus kontrovers. Doch auch der Ansatz reiner Geometrie ist nicht unproblematisch, da er die Vermischung von Kulturen unter formalästhetischen Prinzipien voraussetzt. Und plötzlich ist da Raum für eine neue Debatte.

A single page layout showing multiple vintage cement tile designs as repeating samples.

Monographie | D.W. '23

Auszug aus dem Systematischen Atlas der Zementfliesen

≈ 42 × 28 cm (≈ 8,3 × 11 in)
Vergrößern

A single page layout showing multiple vintage cement tile designs as repeating samples.

Monographie | D.W. '23

Auszug aus dem Systematischen Atlas der Zementfliesen

≈ 42 × 28 cm (≈ 8,3 × 11 in)
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Fußnoten

  • 1↑ Ich habe gehört, dass besonders aufwändige Muster den Blick umherschweifen lassen, wodurch man in eine meditative Haltung versetzt würde. Vergleichen Sie auch meine Instant Patterns um eine vollautomatische Mustermaschine zu sehen.
  • 2↑ Der Gedanke ist beileibe nicht neu. Mindestens schon Lewis Day in seiner Anatomy of Pattern, B.T. Batsford, London 1887, erläuterte die "Skelette" aller Ornamente. Persische Kunstschaffende kannten diese wohl ebenfalls. Für mich ist es aber immer noch faszinierend.
  • 3↑ Einerseits bin ich auf übertriebene Weise über die Art verärgert, auf die historische Bücher immer wieder dekorative Gegenstände und Bauschmuck abdrucken, obwohl diese gar nicht kachelbar sind. Eine ganze Zeitlang bin ich konzeptionell über diese gestolpert, weil ich sie ebenfalls klassifizieren wollte. Nun überspringe ich sie, aber das kostet bisweilen Willenskraft. Andererseits ist es schwer, in Konkurrenz zu den originalen Chromolithografien zu treten. Diese waren die Hochtechnologie ihrer Zeit und man sieht es ihnen auch an.
  • 4↑ Ich empfehle Donald Preziosi's The Art of Art History, 2e, Oxford University Press, New York 2009.