Was geschieht, wenn man einen strahlenden, tiefgründigen Helden anlegt, der eine Palastrevolution plant? Genau: Man verpasst ihm visionär leuchtende, rare grüne Augen und nennt das ganze smaragdgrün, um sich das pathetische Wort ›leuchtend‹ zu sparen. Und dann kommt eine Probeleserin und schreibt: Das ist ja eine Animé-Figur! BAFF!
Eine Glosse im L. Ceróns 10.000-Fehler-Blog oder wie man es schafft, keinen Roman zu veröffentlichen.
Vor etwa acht Jahren habe ich eine High-Fantasy-Geschichte angelegt, die in einer skurrilen Art Diktatur auf einem fremden Planeten spielt. Mein Held ist ein politischer Freiheitskämpfer, ein Demagoge, ein Redner, der sich für Demokratie einsetzt. Er ist locker, er sprüht Graffiti. Für seine Freunde ist er eine Kultfigur. Wie jede Führungsperson, wie jede Popfigur trägt er Erkennungszeichen. Seines ist ein rotes Bandana. Außerdem hat er grüne Augen. Diese grünen Augen sollten besonders leuchten, um ihn als Visionär anmuten zu lassen. Das war mir ganz besonders wichtig.
Als der Held das erste Mal die literarische Bühne betritt, war es mir sehr wichtig, dass er so in die Szene kommt: Das Bandana, dazu einen Bō wie ein Zepter und die grünen, leuchtenden Augen. So habe ich schlicht: SMARAGDGRÜN geschrieben. Das Kapitel habe ich einer Probeleserin vorgestellt.
Sie war pikiert: SMARAGDGRÜNE Augen wie eine Manga-Figur!
Ich war auch pikiert. MANGA-FIGUR! Mein politischer Revolutionsheld!
Ich möchte dazu bemerken, dass sie offensichtlich eine Animé-Figur meinte, denn Mangas sind ja schwarz-weiß. Doch lassen wir das außen vor. Die Dame erklärte mir, dass ich die Augen in dieser Situation ohnehin nicht beschreiben sollte und nannte mir mehrere Begründungen, in etwa:
Wir sind in der Szene nahe am Helden; der Held sieht sich nicht selbst.
Ich solle mich auf die innere Qualität berufen, nicht auf das Äußere.
Mit äußeren Beschreibungen anzufangen wäre nicht mehr ganz zeitgemäß.
Alles vernünftige Argumente. So habe ich die Beschreibungen herausgenommen. Doch in der Situation ging das gar nicht. Mein Held in der Pose auf diesem Monument und dann keine Beschreibung? — Nein! Das war wie Napoleon ohne Zweispitz. Also Bandana zurück, Bō zurück, Augenfarbe weglassen. — Nein! Das mit der Augenfarbe weglassen funktionierte auch nicht wirklich. Ich fühlte mich todunglücklich. So, als wäre mein Held nur halb dargestellt.
Schließlich klärte mich mein absoluter Cerón-Fan auf, der jedes Problem logisch knackt. Smaragdgrün klingt zu blumig und passt eher für Romantasy als für einen Revolutionär. Hier wäre besser eine Beschreibung wie opalgrün oder eine andere Augenfarbe glaubhafter. Aber jetzt kommt sein wichtigstes Argument:
Ich sehe in meinem Revolutionär eine Sonnenfigur. Das Funkeln in seinen Augen zeigt, dass er ein Visionär ist. Doch das kann ich nicht einfach mit der Beschreibung SMARAGDGRÜN abtun. Vielmehr hätte ich es in einen Satz verpacken müssen.
Etwa: ›Als das Sonnenlicht in seine opalgrünen Augen fiel, leuchteten sie. Er war ein politischer Visionär. Für den Widerstand war er eine Sonnenfigur. Mit ihm würden sie siegen.‹
Dieser Satz bleibt hängen. Rotes Bandana, Bō wie ein Zepter, opalgrüne Augen. Wir sehen die Augen jetzt nicht als Beschreibung, sondern als Spiegel, als Metapher für eine visionäre Sonnenfigur. Diesen Helden wollen wir durchs Buch begleiten.
Geht es Ihnen auch so? Manchmal ist es einfacher, sich von Beschreibungen blenden zu lassen und Floskeln zu verwenden. Zu denken, der andere versteht das schon so wie ich das meine. Aber ist das wirklich so? Sagen wir wirklich immer das, was wir wirklich sagen wollen?
Am Romananfang ist das ziemlich prekär. Da wird aus einem visionären Rebellen womöglich eine Animé-Figur, die wir nicht durch eine Trilogie begleiten wollen. Dann legen wir das Buch weg. SMARAGDGRÜN. Spielzeug. Ende. Wäre schade drum, nicht?
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©L.C./22.8.11/L. Cerón schreibt Abenteuer-Romane über Underdogs und Palastrevolutionen, stets mit einem Bezug zu Ökologie und Umweltschutz.