Der Klassiker. Bestseller. Untertitel: A Memoir of the Craft. Aus dem Jahre 2000.
Aus Ceróns Serie: Nachschlagwerke, damit man es auch wirklich schafft, einen Roman zu veröffentlichen.
Bibliographische Angabe
Autor: Stephen King
Titel: On Writing
Verlag: Simon & Schuster
Erschienen: 2000
Bibliographische Angabe
Autor: Richard Fortey
Titel: Life
A National History of the First Four Billion Years of Life on Earth
Verlag: Vintage Books Edition
Erschienen: 1999
... betrachtet aus der Sicht von L. Cerón.
Ist es wichtig, seine autobiografischen Erlebnisse in seine Geschichten einzuweben, wie es Stephen King rät? Kann ein Autor von Horror-Geschichten überhaupt einen Schreibratgeber verfassen? Die Buchbesprechung fokussiert sich auf das Gefühl, beim Lesen des Werks etwas mitgenommen zu haben.
Auf der Suche nach Schreibratgebern stieß ich auf On Writing von Stephen King. Jeder kennt den Autor und seine Werke. Doch zugegeben, so fasziniert sie angelegt und so gut sie geschrieben sind, Horror ist nicht so mein Spezialding. Habe mehrere Anläufe genommen, um den schwarzen Turm auf Deutsch oder eben The Dark Tower auf Englisch zu lesen. Gab nach wenigen Seiten regelmäßig auf. Dahingehend beäugte ich King’s Schreibratgeber eher kritisch. Ich dachte schlicht: Was will er mir wohl erklären? Wie man Grusel erzeugt? Klar. Ist ein erfolgreiches Genre, interessiert mich aber nicht die Bohne.
Doch als ich On Writing las, war ich augenblicklich fasziniert. Stephen King beschreibt seinen Werdegang als Autor anekdotenhaft und unterlegt ihn mit persönlichen Beispielen und Konflikten sowie Beschreibungen seiner Heimat. Es ging gleich mit einem Plauderton los. Ja, Stephen King hat das Buch so vertraulich geschrieben, als würden wir neben ihm stehen, als würde er uns das alles in einer gemütlichen Teerunde erzählen. Ich dachte gleich: Wow, so möchte ich erzählen können!
Was mir besonders gefiel: Seine lebhaften Schilderungen, wie er vergeblich versuchte, seine ersten Romanwerke zu verkaufen. Er schrieb und schrieb, und bekam nur Absagen. Die Schreiben pinnte er sich an einen Nagel über seinen Schreibtisch. Es waren so viele, dass der Nagel bis zum Rand prall mit Papieren gespickt war. Kennt nicht jeder das Gefühl? Absagen, verpatzte Klausuren, verlorene Wettbewerbe. Jede Niederlage ist wie ein Pfeil ins Herz, auch wenn sie noch so klein ist. Trotzdem schrieb Stephen King unermüdlich weiter. Ist seine Standfestigkeit nicht bemerkenswert? Interessante Einstellung auch, die Absagen nicht zu verbunkern, sondern in Front aufzuhängen, nicht wahr!
Irgendeine findige Seele hat einmal behauptet, Autor*innen würden unter Kritik besonders leiden, weil sie angeblich ›ihr Innerstes nach außen kehrten‹ um Texte niederzuschreiben. Angeblich würde jede Textkritik an ihrer Persönlichkeit kratzen. Ich denke, diese Mär stammt aus einer Zeit, als man sich Poet*innen auf einer Sommerwiese vorstellte, Leporello und Feder in der Hand, geküsst von der Muse, um in harmonischen Worten zu baden. Vielleicht gibt es diese Dichter*innen noch immer? Sei es so.
Ich finde, Schreiben ist zwar Freunde — aber auch harte Arbeit. Worte finden, Plots konstruieren, Sätze umformulieren, einmal, mehrmals wenn nötig. Liebgewordene Kapitel streichen, all dies. Man schreibt ja nicht für sich, sondern für ein Publikum, das die eigenen Gedanken verstehen muss. Oft nimmt man die Texte gedanklich auch mit zu Spaziergängen oder ins Bett. Ich erinnere hier an eine Passage von Richard Fortey in seinem Werk Life, das ich mit großer Freude vor fünfzehn Jahren las. Hierin beschrieb Fortey, dass er sich zig Monate in seinem Kämmerlein verbunkerte, um sich nur seinem Buch zu widmen.
Jeder, der schon einmal mit Lektoren oder Probelesern zusammengearbeitet hat, weiß zudem wie die eigenen Texte auf Fehler seziert werden. Darüber muss man stehen. Hier ist Eitelkeit fehl am Platze, stattdessen Objektivität gefragt. Schließlich geht es nur darum, das Werk voranzubringen.
Das ist auch eine Aussage, die ich aus On Writing mitnahm und die ich weitergeben möchte. Texte klingen einfach authentischer, wenn man eigene Erlebnisse einfließen lässt. Darin leuchtet ein Quentchen Wahrheit, die man nicht einfach hinter dem Pult erfinden kann. Es ist ein Baum, den man fotografisch abschreiben kann ... wie der Wald duftet ... eine besondere Mimik ... wie eine zarte Blüte im Wind schaukelt ... dass die karierte Kittelschürze einen ganz ureigenen Fleck hat. Die Kleinigkeiten eben, die ein Buch so authentisch machen.
Als Beispiel möchte ich eine Anekdote aus Shoot the Freak anführen. Ich beschrieb ein ziemlich chaotisches WG-Haus. Unter dem Vorbau neben der Haustüre hing ein kleines, antikes Moped. Es war an Seilen aufgehängt, um irgendetwas zu reparieren. Doch es hing schon sehr lange dort, denn an den Seilen und in den Speichen hatte sich längst Grünspan gesammelt. Die Hausbewohner gingen einfach drum herum. Niemand reparierte das kleine Ding, niemand hängte es ab. Es war einfach vergessen, obwohl es quasi mitten im Weg schaukelte.
Ich erinnere mich genau daran. Weiß war es,Graugrün überzogen. Die Stricke mehrfach geknotet und aus irgendeiner Ecke gezogen. Es hing auch noch da, als ich dort einzog.
Mein absoluter Cerón-Fan war von dem Zeitdokument fasziniert. Wer würde auf eine solch schräge Idee kommen?
Stephen King’s Tipps zur Vermeidung von überflüssigen Beschreibungen sind ja zur Bibel geworden. Schon mal geblättert, wie viele Seiten ein klassisches King-Kapitel hat? Also: On Writing lesen und Adjektive vermeiden. Das erfordert allerdings auch einen größeren Fundus an gezielten Nomen. Daran muss man als Autor*in arbeiten.
Ein Autor von Horror-Geschichten kann ganz sicherlich einen Schreibratgeber verfassen, von dem wir alle etwas mitnehmen können.On Writing lesen! Mit bester Empfehlung.
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©L.C./1.9.22./L. Cerón schreibt Abenteuer-Romane über Underdogs und Palastrevolutionen, stets mit einem Bezug zu Ökologie und Umweltschutz.
Disclaimer: Die hier vorgestellten Bücher sollen meinen Text untermauern. Sie sind also nur Werbung in eigener Sache. Ich erhalte keine Provisionen oder bin sonst wie mit den Verlagen oder den Autoren vernetzt. Vorsichtshalber möchte ich Sie darauf hinweisen, bevor ein falsches Bild entsteht. Danke. L. Cerón.