Schlüsselwörter und wie sie uns jagen!

Eine Anekdote

Geflügelte Worte, Bauernregeln ... sie prägen sich ein. Aber auch manche anderen Worte, Satzfetzen, Sprichworte oder Werbekampagnen begleiten uns. Denken wir nur an die Worte aus dem Terminator: Ich komme wieder oder der Slogan: Waschmaschinen leben länger, mit ... Trällern Sie auch gedanklich mit? Aber das geht auch mit Worten wie ›klick‹ oder ›eierkohlenschwarz‹.
L. Cerón plaudert über die vier A’s: Alltägliches, Ärgernisse und Außergewöhnliches im Alltag (dem literarischen Alltag).

Ein Schlüsselwort ...

... das kann viel sein. Laut Duden1 finden wir unter dem Begriff (ganz 007-mäßig) Kennwörter für Kombinationsschlösser oder verschlüsselte Worte oder Worte mit denen man Texte ver- oder entschlüsseln kann. Auch in der Programmiersprache wird der Begriff benutzt. Doch ich beschäftige mich mit dem Schlüsselwort als ›Wort von zentraler Bedeutung in einem bestimmten Bereich oder Zusammenhang.‹

Das simple Wort ›eierkohlenschwarz‹.

Ich möchte ein Anekdötchen feilbieten. Wir nehmen: Eine Probeleserin und mich und meine High-Fantasy-Trilogie, bei der ich mir Zeit lasse (weil sie mir jeder vergraulen wollte). Die eigentliche Geschichte beginnt mit einem Direkteinstieg in ein zünftiges Urban-Szenario in Welt eins. Welt zwei folgt erst sechzig Seiten später (wie es angeraten wird). Da die Trilogie lang ist, habe ich mich entschieden, einen Prolog voranzustellen. Er soll stimmungsvoll sein, ein wenig die Historie und Mystik der Zwei-Welten-Thematik beleuchten. Auch damit der Leser gleich weiß: Das könnte noch kommen. Etwas sechs Seiten. Eine kleine Sage habe ich auch hineingepackt. Klingt logisch? Logisch!

In der Sage erwähne ich einen Kontrast. Schwarz und weiß. Das Weiß soll aber ziemlich schattiert sind (das ist die Symbolik), deshalb wähle ich den Begriff rauchweiß. Das Schwarz soll ganz besonders schwarz sein. Ich suche also diverse Begriffe heraus und entscheide mich für eierkohlenschwarz, weil es schwärzer nicht geht. Ich schreibe den Prolog und stelle ihn einer Probeleserin vor. Erste Seite:

Mit mokanter Verve erzählt sie (die Sage) über den ewigen Konflikt.
Egoismus: Eigenliebe, Selbstsucht ...
Er hat viele Namen und noch mehr Gesichter
in allen Nuancen zwischen rauchweiß und eierkohlenschwarz.

BAFF! Eierkohlenschwarz!

Reizwort für die Dame. Sie hatte falsche Erinnerungen an das Wort und legte meinen Text sofort weg. Sie war schlicht entsetzt, ich möchte sogar sagen empört. »SO ETWAS würde sie nicht lesen! Das wäre ein Reizwort. Das könnte sie nicht weiterlesen.«

Ich war ebenso entsetzt und still empört. Mein schöner Text! Weggelegt wegen einem Wort! Als hätte ich über eine eklige Seuche geschrieben.

Fazit

Ich hatte danach den ganzen Prolog gestrichen (weil er für mich auch ein Reizwort war). Anschließend das Wort eierkohlenschwarz durch den zivileren Begriff schwarz ersetzt (weil ich Angst vor kohlrabenschwarz bekam). Später sagte mir ein Profilektor: Er fände den Begriff eierkohlenschwarz gut. Gut! Nicht gut, wenn ein Begriff wirkt wie eine Bombe. Denn jetzt kriege ich auch eine Allergie beim Wort eierkohlenschwarz.

Das simple Wort ›klick‹ und ein Traum-Onkel.

Jetzt kommt ein Anekdötchen zum Schmunzeln. Wir schreiben die 70er Jahre. Ich war dreizehn, meine Eltern bauen gerade ein Haus und haben gar gar keine Zeit in den Urlaub zu fliegen wie sonst immer. Doch mein Onkel mütterlicherseits hat andere Pläne. Er ist Schreiner, 28 Jahre alt und ein ziemlicher Freak (Müßiggänger) und Stadtindianer. Seine Fransenjacke ist von Oma selbstgenäht und zwar aus Rauleder oder eigentlich dem echten Fensterleder. Und wie lang die Fransen sind! Der Onkel hat auch einen Faible für ausgefallenes »Schlönz-Schuhwerk2«. Damals zog er diese spanischen Lederpantoffeln mit Lammfell als Straßenschuh an, weil es keine Mokassins gab, sondern nur solche etepetete Herrenschuhe oder alpine Wanderstiefel. Er hatte auch einen schwarzen Riesen-Schnurrbart. Kurz, in den 70ern war das DER Traum-Onkel!

Der Onkel hat gerade sein rotes Cabrio mit Überrollbügel gegen einen schwarzen Uralt-Mercedes aus den 60ern eingetauscht (diese runden wie man sie heute gerne hätte). Er möchte zu meinem anderen Onkel nach Südspanien fahren, um dort zu wohnen. Der andere Onkel arbeitet nahe Murcia an der Küstte als Bauleiter für ein Großprojekt. Soweit so gut. Wir entscheiden mitzufahren. Noch besser!

Der hübsche, alte, schwarze Mercedes hat allerdings so seine Macken. Wenn der lange im Stau (oder vor roten Ampeln) steht, dann kocht der Kühler. Die Hupe geht auch plötzlich los. Aber das ist noch nicht alles. Der gute Onkel hat auch seinen Führerschein nicht dabei. Das fällt ihm aber erst nach eintausend Kilometern auf. In Francos Spanien war das ziemlich heikel. Damals war ja alles (in Europa) noch feindliches Ausland. Also: Bloß keine Führerscheinkontrolle, bloß nicht auffallen!

Wir sitzen also wie die Ölgötzen in Reihe hinten und gaffen ständig auf das Armaturenbrett, um Alarm zu schreien, wenn die Temperaturnadel steigt. Und dass durchs heiße Spanien. Stau in überall, Stau in Barcelona, Stau in Madrid. Jede Ampel garantiert rot. Hysterie garantiert. Nicht umsonst. Ständig dringen solche kleinen Dampfwölkchen ganz unheilvoll aus den Ritzen der Kühlerhaube. Manche Autofahrer hupen auch freundlich, um uns darauf hinzuweisen und wir winken freundlich zurück. Aber das ist noch nicht alles. An jeder Kreuzung in Madrid parkt plötzlich irgendein Polizeiauto, die wachsen wie Pilze aus dem Boden. Irgendeine Festivität, keine Ahnung. Wenn ich heute auf die Landkarte schaue, weiß ich ohnehin nicht, warum wir über Madrid nach Murcia gefahren sind oder gab es keine Straßen? Nun, gut.

Schauen wir uns noch einmal im Auto um. Weiter in der Mitte, an dieser Abdeckung vor der Kupplung (der Mercedes hatte aber eine Lenkradschaltung, glaube ich), prangt dieser schicke Aufkleber im Original 70er Jahre-Futur-Crash-Design. Slogan: Erst gurten, dann starten — KLICK! Das alles in schreigelb und kreischrot und von einem Bausch-Stern ummantelt. Ich habe diesen Aufkleber wohl tausendmal gelesen, immer mit dem gleichen Enthusiasmus. Aufkleber schauen ... bebende Temperaturnadel beäugen ... Rauchwölkchen ... Polizeiwagen ... Aufkleber. Erst gurten, dann starten — Klick!

Natürlich war niemand angeschnallt. Das war damals auch Futur. Gänzlich uncool. Überflüssiger Schnickschnack. Die meisten Wagen hatten nicht einmal Gurte. — Ach, Sie wollen wissen, wie es weitergeht? Bis Murcia herunter quasi Non-Stop gefahren. Frühmorgens angekommen. Angst gehabt, den anderen Onkel aus dem Bett zu klingeln. Dann einfach Wagentüren auf und sich neben den Wagen auf den Boden gehauen. Schöner weißer Sandstrand.

Fazit

Gibt es nicht schöne Schlüsselworte!

***

Fußnote:

1© Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006 [CD-ROM]
2Ich habe nachgeschlagen: In meinem Duden gibt es das Wort ›schlönzen‹ nicht, dabei kommt es mir so arg vertraut vor?!

***

©L.C./11.8.22/L. Cerón schreibt Abenteuer-Romane über Underdogs und Palastrevolutionen, stets mit einem Bezug zu Ökologie und Umweltschutz.