L. Cerón plaudert über die vier A’s: Alltägliches, Ärgernisse und Außergewöhnliches im Alltag (dem literarischen Alltag).
Nicht standesgemäß! Kleider machen Leute!
Ja, früher musste man glatt zum Hochstapler werden, zum Betrüger, Gauner, Dieb. Denn wehe, man besaß nicht für jedes Kinkerlitzchen die passende Garderobe, immer neu natürlich und aus feinstem Tuch, unbezahlbar. Dann konnte man es in der feinen Gesellschaft zu nichts bringen. Heute wagt man sich dagegen kaum in eleganter Garderobe in Bus und Bahn. Bevor man aneckt lieber Understatement. Aber dann mit goldener Kreditkarte, die sieht ja keiner.
Da plaudere ich mal wieder aus dem Nähkästchen.
Früher, in den 70er und 80er Jahren, da war es noch ganz normal, Muster gratis zu verschicken. Für Werbesendungen haben wir — die Arbeitsanzug-Importeure und Großhändler — kleine Stoffquadrate aus Blauleinen-Stoff an den Werbebrief getackert, damit der Kunde den Stoff fühlen und sehen kann. Nur das überzeugte. Wir haben auch bereitwillig ein Musterpaket mit einem Arbeitsanzug oder einer Latzhose oder einem Meisterkittel oder Overall oder allem verschickt, damit der Herr Sicherheitsingenieur oder die Frau Betriebsrätin entscheiden können, ob ihnen diese Schutzanzüge nach DIN denn nun gefallen.
Aber heute!
Da gibt es natürlich Firmen, deren Kundenservice ganz vorbildlich ist. Aber es gibt auch andere. Ich fand Stilblüten, die mich ganz besonders verwunderten. Eine nehme ich zum Anlass für diesen Essay.
Nehmen wir meine Kurzgeschichte zur Biokalypse. Da überlegte ich im Oktober, wem ich sie anbieten könnte, wenn sie vielleicht nicht genommen werden würde. Also: Verlage heraussuchen, Stichwort Manuskripteinsendungen anklicken.
Dann der Schock.
Eine Seite öffnet sich und ich lese:
Liebe Autorin, lieber Autor!
Dein Manuskript wird nicht geprüft
und unmittelbar nach Eingang im Mailfach gelöscht.
Bücher werden einer Spende zugeführt, Manuskripte entsorgt.
[Umfang: 172 Zeichen.]
Jetzt frage ich: Welche Unternehmenskultur ist das denn?
Erst einmal geht es auch höflicher. (Ich möchte von Fieslingen gesiezt und nicht gedutzt werden!) Textbeispiel:
Liebe Autorin, lieber Autor!
Danke für Ihr Interesse an unserem Verlagshaus. Wir haben im Moment einfach keine Zeit, Ihre Manuskripte zu lesen. Schonen Sie unseren Planeten und schicken bitte keine Mails, Briefe oder Bücher. Wenn wir neue Manuskripte in unser Programm aufnehmen, dann veröffentlichen wir das hier.
(So in etwa!)
[Umfang: 313 Zeichen.]
Oder: Nein, danke!
(Meine Variante.)
[Umfang: 18 Zeichen.]
Oder: Den Button Manuskripte einfach löschen.
[Umfang: 0 Zeichen, 0 KB]
Aber vielleicht ist diese Firma ja auch höflich, weil sie an Farbenblinde denkt und Texte rot hervorhebt (was ihre Autoren sicherlich NICHT machen dürfen). Schließlich geht es noch unhöflicher:
Firmentext von oben
plus z. B.
Unverlangte Texte sind unerlaubte Werbung!
Wir schicken Ihnen eine Abmahnung!
Zuwiderhandlungen werden strafrechtlich verfolgt!
Doch rollen wir die Sache einmal ganz neutral vom Marketing-Standpunkt auf:
1. Ein Autor ist auch zugleich ein Vielleser. Autor xyz (erfolgreich oder nicht) liest diesen Text. Er denkt sich: Wenn dieser Verlag so mit Autoren umgeht, dann kann er Literatur gar nicht mögen. Klingt ziemlich arrogant und abweisend.
Schlussfolgerung: Bei diesem Verlag gibt es Bücher von autorenfeindlichen Verlegern.
Will ich das lesen? Nein!
Gehe ich da kaufen? Nein!
Interessiert mich dann das Literatur-Programm? Nein!
Also ist Autor xyz auch als Leser vergrault.
2. Gehe ich als Leser (und kein Autor) auf die Seite, denke ich: Dieser Verlag hasst Autoren und sucht keine neuen Ideen.
Kaufe ich die Bücher? Nein!
Ich will ja etwas Neues lesen, etwas von aufgeschlossenen, neugierigen Verlegern.
3. Leser und Autor xyz werden diese Webseite nicht mehr besuchen, nicht mehr weiterempfehlen. Pft! Auf die Pfeifen können wir verzichten. Können wir wirklich?
4. Man beachte auch die Wortwahl: ›Lieber Autorin, lieber Autor!‹ Klingt wie Hohn. Genauso hätte stehen können: Sch... Schreibgesindel, zisch ab!
Nicht wahr, ist doch so, oder? Oder macht es die aufgesetzte Kumpelei (Vorsicht: Meine Wortschöpfung von Kumpel) besser?
5. Woher kommt denn dieser Hass auf unaufgeforderte Manuskripte?
Weil man mit Schund beworfen wird?
Weil man sich zu etwas Besserem berufen fühlt, als für unangeforderte Manuskripte?
Also ist alles Schund, was kommt.
Aber ein Verlag wird für seine gute Auswahl, sein Sortieren bezahlt.
Oder will er Geld für keine Arbeit.
Oder Nutzen aus der Oligopol-Struktur der Verlagsgesellschaften ziehen?
Ich sage: Setzen! Sechs!
6. Andere Frage: Wechselt ein erfolgreicher, veröffentlichter Autor zu einem solchen Verlag?
7. Oder noch besser: Ich verschickte also keine Muster-Arbeitsanzüge und Muster-Quadrate mehr, wenn mir der Kunde nicht vorher einen Auftrag von einer Million garantiert hat.
7. Oder noch noch besser: Es gab mal Berichte über Boutiquen und Shops, die fünfzehn Euro Eintritt verlangten. Wenn man dann etwas kaufte, wurde das Geld verrechnet, wenn nicht, war es weg. Wie albern! Wie faul! Gehe ich das bummeln? Nein. Gehe ich da kaufen. Auch nein.
Und da sprach man in den 80er Jahren davon, dass man Hemmschwellen abbauen müsse, damit sich der Kunde wohlfühlt, in den Shop wagt. Deshalb gibt es ja die großen Riesenschiebetüren: überall hineinlaufen können ohne Guten Tag und dummes Guckes. Na, bei der Energiekrise wird das irgendwann auch nicht mehr gehen, alleine mit den Heizkosten.
Wie schön, dass es noch richtig nette Leute gibt!
***
©L.C./13.01.23/L. Cerón schreibt Abenteuer-Romane über Underdogs und Palastrevolutionen, stets mit einem Bezug zu Ökologie und Umweltschutz.
Disclaimer: Die hier vorgestellten Bücher sollen meinen Text untermauern. Sie sind also nur Werbung in eigener Sache. Ich erhalte keine Provisionen oder bin sonst wie mit den Verlagen oder den Autoren vernetzt. Vorsichtshalber möchte ich Sie darauf hinweisen, bevor ein falsches Bild entsteht. Danke. L. Cerón.
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