Thaqu

Leseprobe

Zurück in der Heimat. Wer ist Freund, wer Feind? Wo alte Freundschaften aufflammen, sind auch alte Konflikte nicht weit. So wie Oliver, der zum hartherzigen Großrancher wurde. Wirklich?

Was bisher geschah

Neal lebt im Exil Heimat. Streit mit seinen Jugendfreunden schwelt. Sie vertrauen ihm nicht, er vertraut ihnen nicht, weil sie sich wie Dorfmafia benehmen. Er stellt sich gegen sie auf. Streit, Streit, Streit. Unerwartet trifft Neal auf Oliver, der gerade mit einem Trupp Viehdiebe jagt - und plötzlich vertragen sie sich, rein geschäftlich natürlich. Gemeinsam verfolgen sie die Viehdiebe in ein verlassenes Tal. Um deren Spuren weiterhin zu jagen, mietet sich Oliver eine fremde Cessna, mit der sie losfliegen wollen, um die Viehdiebe von oben und inkognito zu jagen.


VII Zugespitzt

Kapitel 44: Cessna

Connelwalky

Neal fuhr pünktlich um zehn Uhr mit dem großen Dodge 600 auf das Gelände des Privatflughafens. Oliver war mit seinen Gedanken weit weg und erkannte ihn erst, als der Laster bereits parkte. Er warf dem Wagen nur einen kurzen Blick zu. Hatte er ihn schon einmal in Connelwalky gesehen? Nein! Der Dodge war viel zu auffällig: typisch signalrot lackiert, der hintere Holzaufbau mit einer staubblauen und matt zitronengelben Lackierung, die unordentlich und abgenutzt wirkte. Oliver verbarg seinen Unbill über das ramponierte Gefährt. Er musterte seinen Jugendfreund.

Neal trug eine hellblaue, verwaschene Jeans und den gleichen, dicken Schafswollpullover mit irischen Mustern, den er schon bei Renata getragen hatte. Er wirkte wie ein normaler Jedermann. Oliver erinnerte sich an ihr Zusammentreffen im Mordor viele, viele Jahre zuvor. Auch damals hatte Neal einen irischen Schafswollpullover getragen und wie ein Jedermann gewirkt. Und was hatte er nicht alles angestellt? Das SOX, die Straßenschlachten ...

Oliver hatte das Gesicht des Freundes so lebhaft vor Augen, als würde er die Szene von einst just in diesem Moment noch einmal leben. Auch dessen grollende Stimme, damals. ›Bog off! Shoot! Sage mir noch einmal so etwas, Draches, und ich vergesse, dass wir uns je kannten. Dann beweise ich dir, dass ich genau der bin, für den du mich hältst. Mal schauen, wie dir das gefällt. Piss off!‹ Dieser Satz hatte ihre Freundschaft unwiederbringlich zerstört.

Oliver verdrängte den Gedanken schnell. Plötzlich wusste er nicht, ob er Neal freundschaftlich oder ablehnend entgegentreten sollte. Er entschied sich für kühle Professionalität. Les affaires sont les affaires.

Auch Neal musterte seinen Jugendfreund misstrauisch und mit zwiespältigen Gefühlen. Er sah in ihm den Franzosen: schwarze Jeans, nachtblaues Sweatshirt, Baskenmütze ... Etwas in Olivers Gesicht zeigte den bodenständigen amerikanischen Rinderbaron, etwas anderes zeigte einen egoistischen, hinterlistigen internationalen Geschäftsmann, den man nicht wirklich einordnen konnte. Neal verglich seine Informationen von der SCITIA mit den Beobachtungen vom Vortag und dem, was er über Oliver gehört hatte. Er war vorsichtig. Trotzdem gutgelaunt, denn insgeheim freute er sich auf einen Ausflug mit seinem Jugendfreund. Alles deutete darauf, dass es spannend und unterhaltsam werden würde. Und Oliver ging es eigentlich nicht anders.

»Ich habe mir eine Cessna 150 gemietet«, sagte Oliver statt einer Begrüßung. »Sie ist voll aufgetankt, und wir können soviel spazieren fliegen, wie wir möchten.«

»Hattest du nicht einen eigenen Flieger?«, fragte Neal schnippisch.

Oliver sah den Blick. Er wusste genau, was alle über seine Piper lästerten.

»Blöde Unkenrufe«, sagte er verärgert. »Ich war vor einigen Wochen mit ihr in New York. Aber ich habe mir die Cessna gemietet, damit wir richtig langsam fliegen können und unerkannt unterwegs sind. Ganz hinten, die blau-weiße müsste es sein, solch ein Allerweltsding.«

»Unerkannt? Du willst schleichen?«

Neal lachte ihn prompt freundlich an. Dann zog er sein buntes Schaltuch hoch und machte daraus mit einem routinierten Griff eine Balaclava.

»Buh!«, brummte er tief und machte dabei eine ausladende Handbewegung. Dann zitierte er betont pathetisch:

»Welch Glück!
Ein Kriegerheld wird kommen!
Ein Retter des Hauses!
Mit geballten Fäusten eilt er zur Schlacht!
Das Schwert zum Nahkampf gepackt!1«

Mit der nächsten Handbewegung schob er das Tuch wieder zurück, griff in seine Jackentasche, zog einen Flummi hervor und dotzte ihn spielerisch auf den Boden.

Oliver stutzte und warf ihm einen entgeisterten Seitenblick zu. Es war ihm, als hätte er den Schuljungen Neal vor sich, der nur Flausen im Kopf gehabt hatte. Prompt hatte er gute Laune. Er zog gleichfalls seine Baskenmütze tief in die Stirn und rief »Buh!« Dann zitiert er pathetisch:

»Zeus, der in uns beiden wohnt,
schaut auf unseren Streit.
Er gibt dem Bösen die Schuld
und dem Gerechten den Segen.
Warum qälen dich also Zweifel?2«

Neal lachte herzlich und dotzte den Flummi so, dass Oliver ihn auffangen konnte, und Oliver dotzte ihn zurück. Gemeinsam schritten sie übers Rollfeld zum weit entfernten Hangar.

»Ist das etwa der Flummi von dem Dach der Schulsporthalle?«, erkundigte sich Oliver verblüfft

Er erntete ein stilles Nicken.

»Warum streiten wir uns eigentlich immer?«, fragte er, als sie vor der Cessna 150 standen.

»Weil wir uns nicht vertragen? Vergiss nicht: Dies ist ein geschäftliches Treffen und kein privates, aber ich habe keine Lust auf schlecht gelaunte geschäftliche Treffen, okay? Und vergiss auch nicht: deine Feinde sind meine Feinde? — Also: Beamen sie mich hoch, Scotty.«

»Aye, Captain«, lächelte Oliver.

***

Keine halbe Stunde später ging es los. Noch während die Cessna in den Himmel kletterte, legten sie ihre Flugroute fest. Alles ganz geschäftlich? Vielleicht doch nicht so ganz. Neugierig überflogen sie halb Connelwalky, einfach so. Neal drückte sich nah ans Fenster und schaute mutig nach unten. Er lachte gutgelaunt.

»Genial! Ich bin noch nie mit einem Flugzeug über Connelwalky geflogen«, sagte er. »Schaue mal, da unten ist die Farm von meinem Alten. Flieg’ mal tiefer, damit ich herunterspucken kann! — Und daneben das Häuschen von Daniel. Ist echt schmuck geworden, nicht? Und dort hinten wohnte diese schreckliche Melanie Canterbush — oh, was schrie und schimpfte sie mich zu, wenn ich an ihrem Haus vorbeiradelte. Am Anfang hatte ich eine schreckliche Angst vor ihr. Aber als ich älter war, schmiss ich ihr Steine an die Scheibe. Hui! Was war sie wütend. Tobte mir hinterher, ging zu meinem Alten, aber ...«

»... du machtest es immer wieder, lass mich raten«, lächelte Oliver.

Er hörte die Anekdote zum ersten Mal. Neal, der Dorfschreck. Yo. Damals hat er uns das verheimlicht, der Schummler, und immer einen auf Musterschüler gemacht.

Neal lächelte viel zu unschuldig zurück.

»Und dort ganz hinten, das war dieser — Ach, wie hieß er noch? — Benjamin Franklin Booster. Er konnte mich auch nicht leiden. Rief mir immer Chicano und Bastard hinterher und ...«

»... du hast ihm auch Steine an die Scheibe geworfen?«

»Nein! Ich bin nachts in seinen Garten und habe ihm sein ganzes Gemüse herausgerupft. Später bin ich mit dem Apfelschimmel an seiner Haustür vorbeigaloppiert. Er hat geteufelt, weil er meinte, die Scheibe an der Haustür wäre locker ...«

»... und dann hast du den Apfelschimmel steigen lassen...«

»... und die Scheibe fiel heraus und brach in Tausend Scherben«, grinste Neal. »Woher weißt du das?«

Oliver schmunzelte nur.

»Weil ich dich kenne? — Da unten ist Bugaloo. — Lijni hat es schön hergerichtet, nicht wahr?«

Neal schaute nur und schwieg, dann zeigte er weit hinten auf Idale.

»Genialistisch groß, deine Ranch. Fliege doch mal vorbei, damit ich mir anschauen kann, was du alles verändert hast. Bin manchmal echt neugierig, weißt du.«

»Komm’ mich besuchen und schau’ es dir von unten an. Ich biege jetzt ab in Richtung Crystalline Valley und Dazzle Creek.«

Oliver kam an Cotonina vorbei. Er hatte es nie zuvor renoviert gesehen. Nun erstrahlte das Anwesen im unverwechselbaren Pueblo Stil. Auch die Gartenanalge war längst hübsch angelegt, dazu der romantische Natursee.

»Fantastisch«, lobte er knapp.

Er flog sogar eine Extraschleife um das Gebäude.

»Bist auch neugierig und mir verbietest du es«, protestierte Neal.

Diesmal drückte er seinen Kopf noch enger an die Scheibe, um besser sehen zu können.

»Es ist schön geworden, nicht wahr? Cotonina Inn! Ein kleines Hotel, wenn es fertig ist und später kommt ein kleines Restaurant hinzu, aber noch haben die Malones keinen Koch gefunden.«

Oliver glaubte, dass der Schulbusfahrer Rusty zum Hausmeister und Obmann eines Hotels mitsamt dem Crystalline Valley aufgestiegen war. Er nickte artig, doch in seinem Gesicht stand seine Meinung deutlich geschrieben. Neal beschwor sich, ihn nicht klüger zu machen. Er muss gar nichts wissen! Wenn er nicht weiß, wer wir sind, wird er uns nicht ernst nehmen. Ist viel, viel besser.

Zur Ablenkung sagte er: »Ja, ich finde, Rusty macht seinen Job sehr gut. Dabei ist es ein sehr großer Komplex. Alleine das Crystalline Valley. Flieg’ einmal drüber. Ich habe es noch nie von oben gesehen.«

»Gilt euer Hausverbot auch, wenn ich darüber fliege?«, fragte Oliver mit einem Anflug von Zorn.

Neal ignorierte den zynischen Kommentar.

Im Tiefflug durchflogen sie das Crystalline Valley und die Täler des Dazzle Creek Valleys, das sich dem anschloss. Sie sahen aber nur im Dazzle Creek Valley einige verstreute Rinder grasen. Oliver machte sich dazu eine Gedankennotiz. Anschließend umkreisten sie das Gebiet Fairmont-Hill und Danbo und machten viele Kilometer wett. Die Zeit verging.

Neals gute Laune blieb.

»Schau mal, im Tal des Fairmont Gebietes grasen Wildpferde. Ewig nicht gesehen. Links eine kleine Herde und rechts ebenfalls. Hui sind die weg, weil wir sie erschreckt haben. Ein schöner bunter Hengst hat die Stutenherde angeführt. Prächtiges, stolzes Tier. Er hat mir gefallen. Ich nenne ihn Achikyay. Das heißt Morgengrauen. Ich finde, der Name passt zu seiner Fellfarbe, meinst du nicht?«

Oliver warf einen kurzen Blick auf seinen Begleiter. Ihm blieb dessen Begeisterung fremd und fern. Neal fing seinen Blick kopfschüttelnd auf.

»Hey«, kritisierte Neal. »Was ist mit dir? Siehst du nicht die herrliche Schönheit auf deinem Land? Du besitzt eigene Wildpferde, die bei dir ungestört leben dürfen. Viele andere Wildtiere führen ein natürliches, geschütztes Leben, ohne deine Rinder zu stören. Was meinst du, wie viele Gebiete noch nie jemand betreten hat! Bist du nie über dein Land geritten, um es dir anzuschauen, sondern nur, um Rinder zu zählen und Viehdiebe zu suchen?«

Oliver zuckte mit den Schultern.

»Das ist eben mein Job und mehr Zeit blieb nicht«, sagte er.

Er zögerte, wollte spötteln. Dann entschied er sich freundlich zu sein. Weil das auch nicht klappte, schwieg er.

Neal schwieg auch und beobachtete die Landschaft von oben. Seine Begeisterung hielt an.

»Sieh doch nur mal diese Hügel", sagte er. "Gleichmäßig rund wie ein Sandkamm in der Wüste. Und die da hinten wirken wie eine Theatergruppe. Die Bäume auf der Spitze sind die Schauspieler, davor steht die Tanne wie ein Regisseur. Und ganz rechts die Baumreihe wirkt wie eine Gruppe Landfrauen mit Säcken auf den Rücken, die von rechts nach links laufen ...«

Oliver spürte, wie sein Unmut von ihm abfiel. Er schalt sich, dass sich seine Gedanken stets nur um Geld und Finanzen drehten. Doch noch war ihm das Gefühl auch fremd.

Neal wies in die andere Richtung.

»Sugar-Hill!«, sagte er. »In meiner Jugend bin ich häufig hier geritten. Der Berg verdient seinen Namen, denn im Winter bleibt der Schnee an der Spitze liegen.«

»Wie auf allen Bergen«, warf Oliver ein.

»Lässt mich ja nicht ausreden. Wollte sagen: Der Schnee wird dort oben am schnellsten wieder weggeweht. Dann bleibt dieser braune Fels übrig, und der Sugarhill sieht aus, als hättest du Schokoladensauce über den ganzen Berg gekippt.«

Oliver überlegte, ob Neals Enthusiasmus ansteckend wirkte und fand nicht. Immer wenn er am Sugar-Hill gewesen war, dann hatte er Rinder gesucht, zusammengetrieben, hatte gefroren, was auch immer.

Neal reagierte verständnislos.

»Bist du jetzt ein echter Amerikaner oder ein Pariser Stadtei? Das muss dir doch gefallen. All die Pracht unter dir. Die Natur schenkt dir ihre Schönheit, ihre Perfektion, und du musst sie dafür nur schützen, achten, ehren.«

Oliver schwieg. Sagt er. Rustler, Pferdedieb, Gangster oder hängt er sich neuerdings einen Heiligenschein um?

»Das ist alleine deine Entscheidung, ehrenvoll zu sein oder ein ignoranter Schuft!«, fügte Neal energisch an. »Mit offener Hand geben und nur das nehmen, was man braucht! Das ist die Freiheit, die ich meine! — Wir sind zusammen hier groß geworden. Das hier ist doch auch deine Heimat. Warum bedeutet sie dir nichts? Warum lehnst du sie kategorisch ab, ohne sie dir anzuschauen?«

Oliver mied den Blick zu ihm. Er konnte sich selbst nicht erklären, warum er einen wohlwollenden Gedanken an Idale nie hatte zulassen wollen. Vielleicht weil sein Onkel immer das Sagen gehabt hatte. Und als der Onkel verstorben war, dann waren nur Schulden und Zahlungsverpflichtungen übrig geblieben. Und diese UFC. Sollte er das überdenken? Er schmetterte den Gedanken wieder ab. Unfug! Blödsinn! Tagträumereien! Das können nur Leute wie er faseln, die nichts zu tun haben und in den Tag hineinleben!

Neal fing seine Ablehnung auf und lenkte ab.

»Fliege jetzt rechts in Richtung MacKenzie Hill! Dort sollten wir unsere Suche fortsetzen«, sagte er geschäftig.

Auch gut, Oliver Draches. Wenn du meinst, du stehst mit der Einstellung auf der richtigen Seite, gut! La cuenta es cuenta! Krieg dir, mein Jugendfreund. Ich nehme dir Idale weg, wenn du nicht verantwortlich damit umgehst.

Neal lag nicht verkehrt mit seinen Vermutungen. Die Umgebung des McKenzie Hills sah zweifellos verdächtig aus. Hier und da gab es Hinweise auf kriminelle Umtriebe, auf Rinderdiebstahl. Aber noch fanden sie keine echten Beweise. So kommandierte er Oliver zu verdächtigen Stellen.

»Flieg mal dort drüben und dann tiefer ... da hinten möchte ich schauen ... fliege mal zur Lichtung dort ... fliege mal eine Schleife durch das Tal da hinten.«

Oliver war genervt, denn er konnte nicht so konstant fliegen, wie er es gewöhnt war. Nur langsam begann er sich einen Spaß daraus zu machen und flog fast schon halsbrecherisch weiter.

»Langsam checkst du es«, spöttelte Neal. »Ieh war das vorher langweilig! Ich kam mir ja vor wie ein Opa in einer Schienenbahn auf dem Jahrmarkt! Jetzt würde ich dich glatt engagieren.«

»Wobei?«, fragte Oliver kritisch.

Wie zur Bestätigung flog er eine besonders elegante waghalsige Schleife durch Tal, in dem ein kleiner Bach seinen Weg suchte.

»Soll ich dir die verdächtigen Gebiete notieren? Hast du GPS?«, entgegnete Neal stattdessen.

»Ich merke mir kategorisch jeden Strauch auf Idale«, antwortete Oliver.

Sie suchten auch das nächste Tal ab. Kaum Bäume wuchsen dort. Doch die wenigen hatten kräftig grünes Laub, das rötlich schimmerte. Ein Baum strahlte ganz besonders. Es war ein Traumbaum mit einem mächtigen Stamm und einer Krone wie ein Dom.

»Schau dir diesen herrlichen Baum an«, sagte Neal begeistert. »Er entschied sich ganz alleine dort zu wachsen, genau dort groß und alt zu werden. Und du, der Landlord, erlaubst ihm, dass er dort leben kann und noch viel, viel älter wird, als wir es je werden können. Ist es das nicht wert, das Land zu erhalten? — Schau ihn dir nur an! Selten einen solch stolzen Baum gesehen wie ihn! Ich nenne ihn Thaqu!3«

Oliver dachte: Spinner. Das sagte er prompt laut.

»Verrückte Idee! Das ist Holz. Warum gibst du ihm einen Namen?«

Neal schluckte seinen Unmut herunter.

»Das ist kein Holz, das ist ein Lebewesen«, korrigierte er. »Warum ihm keinen Namen geben, wenn er lebt? Vielleicht erweckt ein Name etwas wie ein Gewissen. Man tötet Leben und das Leben hat einen Namen.«

Oliver schüttelte ablehnend den Kopf.

»Dann darfst du über keinen Grashalm treten«, sagte er.

Neal ließ sich durch dessen Ignoranz nicht beirren.

»Zu ihm, dem großen Baum Thaqu, kommen Bienen, Wespen, Vögel und ha! Siehst du, ich ahnte es! Hinter ihm versteckt sich sogar eine kleine Herde von deinen Rindern! Er bietet den Tieren Schutz und Nahrung und bringt uns Luft zum Atmen. Er ist schön! Schöner als diese blöden Betonbunker, die sie überall hinbauen, für Energie und Maschinen und Wohnen! Er steht mitten in diesem herrlichen Nichts. Und stelle dir vor, wie langweilig es wäre, wenn es ihn nicht gäbe, wie schrecklich es wäre, ihn durch einen Förderturm zu ersetzen.«

Oliver wusste nichts zu sagen. Er ertappte sich, dass er die Schönheiten nicht sah. Stattdessen zählte er wirklich die Rinder. Er hätte sich dafür ohrfeigen können. Aber nur einen Moment. Dann dachte er wieder: Neal ist ein Tagträumer geworden.

Neal warf einen Seitenblick auf seinen Piloten. Er ist ein Ignorant. Geht meine Gehirnwäsche noch penetranter? Nein! Warte mal. Doch! Er startete einen letzten Versuch und zitierte lose aus dem Zauberer von Oz:

»Der Boden war aus grünem Marmor mit funkelnden Edelsteinen. Selbst der Himmel über der Edelsteinstadt schimmerte grün.

Wir ersetzen einfach die Edelsteinstadt durch den Edelsteinwald. Sieh dich um: Wiesen wie grüner Marmor, Bäume wie Edelsteine.«

Oliver schüttelte seinen Kopf ablehnend.

»Natürlich erinnere ich mich an das Kindermärchen«, sagte er steif.

»Und jetzt kommst du mir damit, dass du die Philosophie als Schwere brauchst?«

»Je nachdem, von welcher Seite aus man es betrachtet.«

Neal schüttelte seinen Kopf. Ich hoffte, dass er aufgeschlossen ist. Falsch! Er will nicht freundlich sein. Er will gar nichts einsehen. Er ist verbohrt. Er fährt auf einer Einschienenbahn. Nein, besser: Er sitzt auf einem Karussell, das sich in einem fort dreht. Und weil es sich nur dreht, sieht er nichts mehr um sich herum. Manchmal redet und denkt er noch wie früher, aber dann wieder wird er zum spießigen Fiesling. Wechselhaft wie ein Chamäleon! — Er soll sich nicht gegen uns stellen. Dann ist er unser Gegner. Und als unser Gegner werden wir es ihm schwer machen. Wenn er keine Rücksichten nimmt, müssen wir es auch nicht tun!

Sie flogen durch die Landstriche, doch Neal verkniff sich persönliche Kommentare. Er hatte umgeschaltet. Cuenta es cuenta. Diesen Oliver will ich nicht genauer kennen! Wenigstens flog Oliver weiterhin schnittig.

»Du fliegst gut, sicher, professionell, wie eine Berufung«, lobte Neal.

»Und du bist ein mutiger Copilot! Du weißt gar nicht, wie viel Leute hysterisch werden, wenn sie kaum mehr als Luft unter ihren Füßen haben.«

»Du fliegst so langsam und tief, das wir fast aussteigen könnten und ich soll hysterisch werden? Ich bin als kleiner Neal auf der Flucht vor der Polizei auf höheren Wolkenkratzern geturnt.«

Oliver lachte herzlich.

»Dir ist das noch nicht rasant genug? Dann schnall dich an.«

Dann legte er noch einen Zahn zu. Er flog noch verwegener; er wurde wieder zum wilden Oliver aus Neals Jugend. Er war der Oliver auf dem wilden Ringo mit der störrischen Kuh am Halfter.

Neal war wieder besänftigt. Vielleicht mag ich Oliver doch ein ganz klein wenig? Ja, wir sollten ihn auf unsere Seite ziehen, aber das wird schwierig.

Sie durchflogen weitere Gebiete, über Berg und Tal, durch Wald und Hügel. Zu jedem Gebiet hatte Neal etwas zu erzählen. Er redete fast alleine. Oliver lauschte zuerst distanziert, dann fasziniert. Und plötzlich diskutierten sie ganz vorbehaltlos über die ökologische Zukunft von Connelwalky. Cotonina Inn: Ö kostation, Tourismus, Wandertouren, Pferdetrekking, aktiver Naturschutz. Überraschend ließ sich Oliver dann doch begeistern.

»Eigentlich finde ich die Idee von Cotonina Inn gut«, gab er zu. »Touristen auf Idale! Kaum vorstellbar. Und du? Was würdest du tun?«

Neal schmunzelte.

»Ich? Na! Das, was ich kann! Pferde züchten. Patenschaften für Wildpferde vergeben. Geführte Touren in die Wildnis.« Er blickte zu Oliver. »Wie wäre es mit Patenschaften für Bisons?! Etwas für dich?!«

Oliver vermied ein klares nein, das er auf der Zunge hatte, und wich dem Thema aus.

»Wäre dir hier nicht langweilig?«

»Langweilig? Hier? Warum?«, fragte Neal. Deine Ablenkung taugt nichts, Ignorant. »Gibt hier nette Menschen. Aufgaben. Eine große Stadt. Theater, Kino, Museen. Man könnte Ausstellungen sponsern, Kunst, irgendetwas. Also mir gehen da nicht die Ideen aus. Mir wird nie langweilig.«

»Dafür bist du echt wenig hier«, konterte Oliver.

»Habe eben woanders einen Job zu erledigen.«

Der kurze freundschaftliche Kontakt ebbte so schnell ab wie er gekommen war. Nach den euphorischen Plänen für eine Zukunft Connelwalkys wurde es wieder faktischer. Sie unterhielten über Viehdiebstähle, die Taktiken, die Gebiete, in denen die Diebe sich verstecken konnten, die Routen, die sie nehmen würden und alles, was damit zusammenhing. Ansonsten schwiegen sie beidseitig, felsenfest davon überzeugt, dass der andere durchgeknallt wäre, doch das ließen sie sich nicht anmerken.

Neal blieb bei seiner Einschätzung, dass Oliver ein seelenloser, egoistischer und kurzsichtiger Zeitgenosse war, der nur seine Finanzen im Blick hatte. Und Oliver hielt Neal für einen euphorischen Spinner, der in einer Fantasiewelt lebte, die er mit Gewalt zu verteidigen bereit war. Neal fand, dass Oliver Idale nicht verdiente und Oliver fand, dass Neal ein Phantast war. Das Zitat vom Zauberer von Oz bestätigte das nur zu gut.

***

In einem weit entfernten Tal, dem Clapstock Valley, fanden sie eine große Wellblechhalle. Sie lag am Rande eines dichten Laubwäldchens neben einer großen, ebenen Weidefläche. Neben der Halle war ein Korral. Eine ausgefahrene Sandpiste zeugte davon, dass hier zeitweise reges Leben herrschte. Doch jetzt lag die Gegend verlassen da. Kein Auto oder Laster weit und breit, niemand zu sehen, kein Rind, nichts.

»Kennst du die?«, fragte Neal misstrauisch und schaute sich eingehend suchend um.

»Nein! Du?«, fragte Oliver.

»Ich? Nein. Woher denn? Ich war Jahre nicht hier. — Du meinst, die Rustler hätten extra eine Wellblechhalle gebaut?«

»Das hier ist das Grenzgebiet zwischen meinem und Renatas Land. Schon möglich. Sie haben uns beiden genug gestohlen, als das sie eine eigene mobile Halle finanzieren könnten. Hier würde es nicht einmal auffallen. Unverdächtiger geht es gar nicht.«

»Weil du glaubst, es wäre auf Renatas Gebiet und Renata umgekehrt? Nicht schlecht.«

»Wir fliegen eine Runde drum herum. Wenn hier keiner ist, kommen wir später mit dem Jeep zurück und schauen es uns genauer an. Zumindest wenn es auf meinem Gebiet ist. Ich kann die Polizei nicht hierhin schicken, wenn ich keine Anhaltspunkte für nichts habe.«

»Belebt sieht es nicht gerade aus«, kommentierte Neal ungerührt.

»Vielleicht benutzen sie es zur Zeit nicht?«

»Kannst du hier landen?«

»Landen?« Oliver schaute entsetzt. »Wie kommst du darauf? Ist zu eng und gefährlich.«

Neal war unüberzeugt. Er schaute sich Wiese und Sandpiste genauer an.

»Wie lange brauchst du denn mit dem Jeep hier hin?«

»Zwei, drei Stunden? Ewig zumindest.«

»Wird knapp von der Zeit für mich. Dann versuche doch zu landen. Du fliegst den Landeanflug über die Wiese, gehst dann tief herunter und setzt auf dem Sandweg auf. Geh’ mal herunter. Ich schaue, wie eben die Piste ist und ob ich tiefe Schlaglöcher orte.«

Oliver grunzte unwillig.

»Eine dumme Idee! Du hast doch keine Ahnung. Wenn mir das Fahrgestell um die Ohren fliegt ...«

»Du landest vorsichtig. Wir gehen rein, spionieren, und wenn was ist, rufst du den Sheriff an und fertig. Falls du das Fahrgestell verschrottest, rufst du auch den Sheriff an und lässt uns abholen ... oder du sagst nachher, du musstest notlanden, weil dich die Schurken mit einer Steinschleuder vom Himmel holten.«

Oliver vergaß seinen Unmut und schmunzelte. Er ist und bleibt ein Gangster! Ich liebe seine Einstellung. Ist dankbar realistisch. Zweifellos! Besser zu mutig als zu langweilig.

Oliver landete in einer halsbrecherischen Aktion auf der Sandpiste. So, wie Neal es empfohlen hatte: Anflug über die Wiese, dann knapp über das Hallendach, scharf neben dem Wald und gleich dahinter aufsetzen, ausrollen lassen. Er schaffte es erst nach dem dritten Anflug, und auch nur, weil Neal ihn akribisch einwies. Unweit des Hauses, blieb die Cessna stehen. Oliver wendete sie, so dass ihre Nase in Richtung Sandpiste zeigte, damit er gleich starten konnte.

»Ging doch«, sagte Neal zünftig. »Der Abflug ist sicher einfacher, meinst du nicht?«

Oliver begann erst langsam wieder richtig zu atmen.

»Bist ein Profi für Landepisten, ja. Hast einen echt guten Blick.«

»Klar, was denkst du«, sagte Neal. »Cy ist ein Videospiele-Held. Was meinst du, wie oft wir solche Szenen probten.«

Oliver glaubte ihm nicht. Wildhüter in Lateinamerika? Sicherlich landeten sie routinemäßig noch schlimmer.

Vorsichtig näherten sie sich der Wellblechhalle. Vom Nahen war der grünblaue Lack ziemlich abgeblättert, das Blech rostig und kaputt. Das Tor war riesig und knarrte bestimmt abscheulich, dafür gab es eine kleine Tür an der Gebäudeseite.

»Hey-ho! Jemand da?«, brüllte Oliver.

Seiner Stimme zufolge war er es gewöhnt, über ein ganzes Tal zu brüllen, um Rinder und Angestellte zu sich zu rufen.

Neal schmunzelte heftiger.

Nichts rührte sich.

Sie gingen einmal ums Gebäude herum und lauschten, doch es rührte sich nichts. Neal zeigte auf die kleine Eingangstür und machte Oliver einen Wink. Er öffnete die Tür beherzt und trat vorsichtig ins Halbdunkel. Oliver folgte ihm dicht auf, doch Neal schob ihn mit einer schweigenden Handbewegung zurück.

»Square up, homie!4«, zischte er leise und in fürchterlichem Slang.

Oliver hielt sich an die Anweisung. Er beobachtete, wie Neal rasch durch die Halle schritt und in alle Ecken schaute. Er wirkte viel zu routiniert. Nicht gerade wie jemand, der als Wildhüter arbeitete. Oliver war es egal. Er hatte längst seine Waffe in der Hand. Neal sah es im Augenwinkel trotz des Halbdunkels, als er wieder zu ihm zurück schlenderte.

»Mit dir fühle ich mich echt sicher«, sagte Oliver mit Bewunderung. »Deine Erfahrung und dein Mut sind brillant.«

»Im Schleichen, im Beschützen oder im Einbrechen?«, fragte Neal. Er war der Waffe einen misstrauischen Blick zu. »Täusche dich nicht. Meine beste Zeit ist lange vorüber, und aus dem Alter bin ich auch heraus.«

»Manche kommen aus dem Alter nie heraus.«

»So wie der Owens? — Sollte ich mich sicher fühlen, weil du mit einer entsicherten Waffe hinter mir stehst?«

»Woher weißt du, dass ich sie entsicherte?«

»Ich hörte das Geräusch.«

»Feines Gehör. Ich versuchte leise zu sein.«

»Dieses Geräusch höre ich noch in drei Meilen Entfernung.«

»Ich dachte, ihr hättet nie Schusswaffen benutzt?«, fragte Oliver misstrauisch.

»Haben wir ja auch nicht«, redete sich Neal heraus. »Meist war es die Gegenseite, die das Geräusch verursachte, bevor wir in der dicken Bertha saßen und in Handschellen vor den Kadi gebracht wurden.«

Als ob Oliver ahnt, dass wir als Paramilitärs in Kolumbien die Drogenkartelle aufmischen!

Doch Oliver ahnte alles — wenn auch nicht das — denn er warf Neal einen unverhohlen kritischen Blick zu. Aber er lenkte ab.

»Aber ihr habt früher nicht zufällig Bockmist gemacht und die Polizei war im Recht, nein? — Egal! Dich und mich zu beschützen ist es mir allemal wert schwere Geschütze aufzufahren.«

»Du meinst, du willst wild schießen, wenn hier wirklich einer auftaucht? Das gefällt mir nicht.«

»Sehe ich aus wie Clint Eastwood in einem Shootdown?«

»Unsere Gegner könnten schleichen, rennen, springen und außerdem sind sie kleiner als schlafende Riesenpferde, die zu treffen du nicht zögertest, weil ich dir zu klein war.— Deine Chancen stehen schlecht, möchte ich meinen.«

»Vielleicht habe ich zwischenzeitlich zielen geübt. — Schau mal da vorne ist offensichtlich das mobile Gitter, das die Viehdiebe immer aufstellen, wenn sie die Tiere schnell in den Transporter laden wollen.«

Sie sahen sich noch eine Zeitlang um, doch eigentlich gab es nichts zu sehen. Dennoch war es klar, dass die Viehdiebe diese Halle als Umladestation für Rinder benutzten. Sie waren unruhig, hatten Angst vor der Begegnung mit den Schurken. Wenn sie enttarnt wurden, zögerten die garantiert nicht, gewalttätig zu werden.

»Komm! Wir zischen ab und rufen von unterwegs die Fahndung an«, drängte Oliver strikt.

»Einen Moment muss du noch warten, denn das ist der Spaß wert«, bat Neal.

»Spaß? Was?«, fragte Oliver misstrauisch.

Doch Neal beachtete ihn nicht. Stattdessen zog er einen großen Farbkübel aus einem Regal hervor und öffnete ihn. Selbstgefällig nahm er ein kleines Holzbrett und wickelte einen Lappen darum. Beides tauchte er in den Farbtopf und trat zur Wand.

Oliver ahnte plötzlich alles.

»Lass das. Das ist albern«, mahnte er.

»Ist nicht albern. Macht Spaß!«, entgegnete Neal ungerührt.

»Komme jetzt und lass es«, ermahnte Oliver heftiger. »Wir müssen hier weg.«

»Fliege alleine los, wenn du möchtest«, antwortete Neal schnippisch. Gleichzeitig schrieb er ein riesiges

BANG!

auf die Wand, überlebensgroß.

»Okay. Das war es!«, schnaubte Oliver aufgebracht. »Du hattest deinen Spaß, also lass uns gehen.«

Doch Neal hörte ihm nicht zu, weil er ihm nicht zuhören wollte. Es folgte ein weiteres

Ye’re dead, rat pack!

das er schnell und ebenfalls in riesigen Lettern seelenruhig schräg daneben schrieb. Es war unübersehbar.

Oliver beäugte das kritisch bis entsetzt.

»Hör jetzt auf!«, befahl er. »Sie werden deine Schrift erkennen, falls es ...«

»A'ight homie! Crucial!5 Wenn du nicht ruhig bist, schreibe ich noch ein Merry Xmas! hinterher und unterzeichne eigenhändig mit meinem Namen«, entgegnete Neal aufgebracht. »Als ob ich Angst hätte! — Goin’ to croak that f**ckin’ grotbags! 6 Sie haben es verdient.«

»HÖ R AUF«, unterbrach Oliver. Seine Stimme klang durchsetzungsfähig und er maß ihn unverhohlen kritisch.

«Codswallop! Flip!«, zischte Neal offen verärgert.

»NEAL!«, ermahnte Oliver harsch. »Lass uns gehen. Es ist gefährlich hier.«

»Catch you later!«

«NEAL«, mahnte Oliver noch harscher.

»Cut the crap!8 Ich sollte denen die Halle jetzt sofort abfackeln.«

«NEAL!«, fauchte Oliver kompromisslos enerviert. «Damn! U-ee! Stop stoking me! Cop-it!9«

Einen Moment machte Neal eine aggressiv provokative Handbewegung und schaute aufsässig wie der punkige Freak in seiner Jugend. Plötzlich erinnerte er sich an seine Schulzeit zurück. Damals hatte sich Oliver ebenfalls so vehement durchgesetzt hatte. Er grinste freundschaftlich.

»Yolla! Aye Sir! Captain, my Captain«, grinste er. »Bist der einzige, auf den ich früher hörte, weiß du das?«

»Nein, hast du nicht«, korrigierte Oliver. »Du hast auf niemanden gehört.«

Neal stellte den Farbtopf artig zurück und gesellte sich zu Oliver.

»Sieht doch genialistisch aus, nicht wahr?«, sagte er stolz.

Oliver gab ihm einen kumpelhaften Stoß.

»Klar. Aber dein B ist das gleiche B wie in der Schule und dein Ausrufezeichen ist ebenfalls unverkennbar. — Komm, wir gehen, bevor du noch auf andere verrückte Ideen kommst.«

»Was doch diesen merkwürdigen Job echt belebt. Gib es zu!«

»Ich habe Kaffee im Flieger und zwei Becher.«

»Kaffee?«

»Ja, klar.«

»Gefriergetrockneten Wasserkaffee? Ich meine ...«

»Was denkst du? Ich bin Franzose. Bei mir gibt es nur echten Bohnenkaffee. – Aber freue dich nicht zu früh. Kriegst ihn erst, wenn wir oben sind. Vielleicht beflügelt dich das.«

»Kannst du drauf wetten. So schnell warst du noch nie in der Luft.«

Gutgelaunt und einträchtig gingen sie zum Flieger zurück und starteten.

***

Eine gute Stunde später landeten sie wieder auf dem Privatflughafen.

»Ich hoffe dieser Spazierflug war effektiv, damit ihr diese Bösewichte dingfest machen könnt«, sagte Neal. »Ich hatte nicht vor, zu Idales Babysitter zu werden.«

»Schade. Stünde dir gut! — Nein! Ich hoffe nicht noch einmal auf deine Hilfsdienste zurückgreifen zu müssen«, entgegnete Oliver ebenso distanziert. »Was ist, wenn es Fragen gibt?«

»Musst du sie klären. Ich verlasse übermorgen Connelwalky.«

»Und wann kommst du wieder?«, erkundigte sich Oliver.

Er bekam keinen Antwort, was auch eine Antwort war.

»Fahre zum Ö kodorf und spreche mit ihnen, Oliver«, ermahnte Neal stattdessen. »Spiele nicht mit ihnen bezüglich der Gerichtsverhandlung, denn sie werden nicht nachgeben.«

Alles zwischen ihnen schien plötzlich wieder vergessen. Die Zukunft Connelwalkys, Achikyay, der Baum Thaqu und der Sugar Hill. Sie waren wieder nur zwei Fremde.

Neal sprang mit einem Satz aus dem Flieger und verabschiedete sich mit einem: »T.T.F.N.10

Er holte seinen Flummi wieder heraus und schritt zum Dodge davon.

Oliver schaute ihm bedauernd nach. Noch konnte er nichts einordnen und wollte es auch nicht und Neal ging es nicht anders.

Ende der Leseprobe

Fußnote

1frei nach Aischylos: Die Orestie
2frei nach Aischylos: Die Schutzflehenden
2Quechua: Baum (im Allgemeinen) oder Karobbaum, amerikanische Karube
4In eine Position zum Kämpfen kommen
5Engl./Slang: Richtig, Homie. Exzellent.
6Engl./Slang: Töten wir diese schmutzigen Leute.
7Engl./Slang: Unsinn.
8Engl./Slang: Rede doch keinen Unsinn!
9Engl./Slang: Mache eine Kehrtwende. Hör auf mich zu nerven. Sonst gibt es Ärger.
10Engl./Slang/Abk.: Ta Ta For Now.

Anmerkung

Alle im Buch befindlichen Handlungen, Namen und Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, Namen oder Handlungen sind unbeabsichtigt und rein zufällig. Städte und Landschaften beugen sich der Fiktion.

Thaqu

bedeutet: Baum (im Allgemeinen) oder amerikanische Karube (amerikanischer Johannisbrotbaum oder Karobbaum). Der Begriff entstammt dem Quechua Ayacucho, einer Sprache der First Nations in Peru.