Rolling in Cash

Leseprobe

Geld wie Heu: das, was drauf steht. Oliver sucht händeringend Geld wie Heu. Neal hat Geld wie Heu. Ein Roman, der alten Freundschaften und Finanzgeschäften gewidmet ist.

Was bisher geschah

Schwarzgeschäfte nach allen Seiten: Die Mariañaca braucht Geld, um sich gegen Santander zu schützen und um gegen ihn zu agieren. Oliver braucht Geld, um Idale zu retten und die teuren Investitionen in das französische Chateaux zu retten. Während Neals Verhältnis zu Jude angespannt bleibt, sucht Oliver den Kontakt zu ihm. Sie treffen sich mal mehr oder weniger zufällig, sie streiten, sie machen Geschäfte miteinander und hintergehen sich wie die gemeinsten Gangster. Doch wenn es wirklich brennt, halten sie zusammen wie Pech und Schwefel. Doch irgendwann initiiert Neal das Geschäft in Panama, um sich Oliver gegenüber als der zu zeigen, der er ist: Ein bisschen Zufall, ein bisschen Absicht.


V Lichtblicke

Kapitel 55: Panama

Organisation Entre Bastidores, Ciudad de México

Die Organisation Entre Bastidores residierte in einem großen, anonymen Büro mitten in der Hauptstadt. U-Bahn-Nähe. Stadtmitte. Altbauviertel. Der Raum war licht und mit großen Fenstern, dazu ein ornamentierter Steinfußboden, der unglaublich glänzte. Drei Schreibtische mit Flachbildschirmen. An der Wand eine mächtige Workstation mit technischem Equipment, das eher an den MI6 erinnerte. In den Regalen stapelten sich Ordner und Berge von Dokumentenmappen.

Neal betrat den Raum und lächelte freundlich in die Runde.

»¡Buenos días, señora Janchanel, señor Camargo, señor Cañas!«

Diesmal führte er einen Rollkoffer bei sich, darauf seine Laptoptasche. Im Koffer: seine Investoren-Kluft, wie er sie nannte. Er war auf dem Weg nach Panama zu einem lang anberaumten Treffen bei einer Ersten Bank. Sein südamerikanisches Team plante eine Attacke gegen Emilio Santanders Firmenreich der Unidad Compores S. A. Die panamesische Bank würde ihnen helfen, Santanders Investitionspläne zu durchkreuzen. Wenn es gut lief, konnten sie die Belo Horizonte Fructás L.T.D.A. zerschlagen. Doch dafür brauchte er letzte Informationen von der Entre Bastidores.

Neal setzte sich an Nayelis Schreibtisch. Kaffee. Kekse. Die anderen rückten ihre Stühle heran.

»Auch für uns war es schwer, an die Insiderinformationen der Belo Horizonte zu kommen«, sagte Nayeli. »Es dauerte zu lange. Wir brauchen einen echt guten Hacker. Das hat Priorität.«

»Ein vertraulicher Hacker ist so selten wie ein rosa Einhorn«, bedauerte.

»Suchen wir ein rosa Einhorn«, postulierte Nayeli. »Wenn wir die Belo zerschlagen, wittern Santanders Finanzhaie das Komplott. Das nächste Mal müssen wir schneller sein, sonst unterlaufen sie unsere Aktionen. So nah dürfen sie uns nicht kommen.«

»Dann stehen wir auch vor der Bank schlecht da«, ergänzte Camargo. »Jetzt, das mit der Belo klappt nur, weil die Banken den Brasilianer stark machen wollen. Der holzt denen die lästigen Regenwälder ab, dafür wird er weltweiter Monopolist für Fruchtsäfte. Politikum. Big deal.«

»Wir positionieren uns ebenso stark wie die Unidad«, sagte Neal. »Und danach gewöhnen wir es dem Brasilianer ab, seinen Wald abzufackeln.«

Er wusste, dass das nicht ging, aber zumindest klang es gut.

»Nutzen wir die Gunst der Stunde«, bestätigte Nayeli. »Wir haben die Informationen, die du und deine Partner brauchen. Zieht den Deal durch. Danach schauen wir weiter.«

***

Panama

Erst am nächsten Spätnachmittag flog Neal nach Panama weiter und checkte in einem Luxushotel ein. Nach einem faulen Abend in der Hotellobby, legte am Morgen sein Reiseoutfit ab und warf sich in seine Investoren-Kluft. Diese bestand aus einem ultrateuren, maßgeschneiderten Blazer und einem blütenweißen Hemd, in dem sich keine kleinste Knitterfalte zeigte.

Im Hotel El Golfo traf er sich mit Glauco und Luca, Junípero und Paca Chieko sowie Jorge. Ihr Projekt: Die CBD, Credit Bank of Darién in Panama, Ex-Hausbank der Belo Horizonte Fructás L.T.D.A. Mit den Daten der Entre Bastidores konnten sie den brasilianischen Fruchtsaft-Monopolist stärken und die Belo Horizonte schwächen. Außerdem wickelten sie einen Großauftrag über die CBD ab. Die CBD bedankte sich mit einer Gefälligkeit: Sie kündigte der Belo Horizonte LT.D.A. den Überziehungskredit und deckte die Geheimkonten von Gonzalo Santander auf. So konnte die Entre Bastidores dessen Drogenwege verfolgen. Honorarzahlungen an den Herrn Bankdirektor trugen die sechs Verschwörer in einem Köfferchen bei sich.

Normalerweise erschienen die Südamerikaner auf der Geschäftsbühne eher unauffällig, unscheinbar. Nie zeigten sie den Reichtum ihrer Organisationen offen, agierten sie doch in einer Grauzone von Hochverrat, Politik und Eigennutz. Doch diesmal war das anders, denn die CBD wollte ihre Macht sehen; mit anderen hätte sie keine Konferenz einberufen oder sich gegen das Kartell der Brüder Santander gestellt. So zeigten sie ihre Macht: Sechs Geschäftsleute begleitet von drei Bodyguards, diesmal in verdunkelten Limousinen mit Chauffeuren.

Noch jemand pellte sich aus seiner Alltagskleidung: Oliver und sein Brokerteam Sévère, Tiziano, Jaromir. Sie wollten in Panama einen Vertrag über Melasse zu zeichnen. Es war ein lukrativer Vertrag, der sich über viele Jahre zog. Für sie ein Rettungsanker nach einer Serie von Misserfolgen. Von Panama ging es weiter nach Brasilien, zum Sitz des Verkäufers, dann nach Zürich.

Sie trafen im Hotel Golden Panama Ressort auf die Delegation der brasilianischen Melasseverkäufer. Mit an ihrem Tisch: Domingo und Christóbal alias Fidel Gabino Mariano und Curro Dimas Guzman von der Handelsgesellschaft CFSD, Panama Corporación Federalista Sociedad de los Datos, die das hochkarätige Melassegeschäft erst ermöglicht hatte.

Oliver frohlockte. Welch niveauvolle Geschäftspartner! Ob wir mit ihnen noch weitere Verträge realisieren können? Selbst wenn. Alleine an diesem Geschäft verdiene ich pro Monat fünftausend Dollar und meine Freunde auch. Und das in den kommenden fünf Jahren! Dementsprechend gut war seine Laune.

Er ahnte nicht im Entferntesten, dass Neal, Domingo und Christóbal seit Jahren die besten Freunde waren, dass Neal die CFSD mitgegründet hatte, dass Neal organisiert hatte, dass das Geschäft überhaupt mit seiner Brokergruppe abgewickelt werden sollte.

Am Mittag zog sich Neals Gruppe zu Beratungen zurück, denn am frühen Nachmittag sollte der Vertrag mit dem Herrn Bankdirektor gezeichnet werden. Sie entschieden, Domingo mit in die Gespräche einzubeziehen, auch wenn er sich in aktiven Verhandlungen mit dem Melassegeschäft befand. Sie diskutierten darüber.

»Wir holen Domingo dazu«, entschied Neal.

Jorge amüsierte sich.

»Willst du dich an deinem Freund Oliver vorbei schleichen oder telefonieren wir?«, fragte er.

Neal lächelte zurück.

»Ich? Schleichen?«, fragte er. »Nein. Ist nicht verkehrt, wenn Oliver erfährt, dass ich involviert bin. Soll er sich ein wenig ärgern, dann ist er umso motivierter.«

»Du hoffst, dass wir seine Brokergruppe auf unsere Seite ziehen, nicht wahr? Aber wenn du ihn vergraulst ...«

Jorge ließ den Satz unvollendet.

Neal grinste schelmisch.

»Oliver ist Zeus. Wenn er gereizt wird, wächst er über sich selbst hinaus und schleudert Blitze.«

»Hast Recht. Wir brauchen jedes Geschäft gegen Santander.«

So erschien die Gruppe im Seminarraum des Golden Panama Ressorts wie vor. Zu sechs mit ihren Bodyguards, im feinsten Dress und mit verdunkelten Limousinen vor dem Hoteleingang. Neal, Jorge und Glauco traten zu Domingo an die Tischgruppe, während Luca, Paca Chieko und Junípero etwas entfernt im Durchgang warteten. Die Bodyguards positionierten sich und beobachteten die Umgebung. Auch sie trugen schwarze Anzüge. Doch das verhehlte nicht, wer sie wirklich waren.

Oliver und sein Team erschraken über die Bodyguards, über die Bedrohung, die sich plötzlich im Seminarraum ausbreitete wie eine Gewitterwolke. Was war los? Die drei Brasilianer waren doch nur Geschäftsleute. Im gleichen Moment erkannte Oliver Neal. Das Erkennen wir wie ein Tauchbad im Eiswasser. Einen Moment war er wie vor den Kopf geschlagen. Was will er hier?

»Darf ich vorstellen: Mein Freund Demetrio Flavio Cruz«, stellte Domingo Neal vor.

Augenblicklich ahnte Oliver, dass auch Curro Dimas Guzman nicht wirklich Curro hieß. Die gesamte CFSD war eine einzige Lüge! Die anderen Namen registrierte Oliver nicht einmal, so egal waren sie ihm und so sicher war er sich, dass es nur Decknamen waren, leere Hüllen der Mafia.

Keine Sekunde später sah Oliver das Chakana-Tattoo, das Neal auf der Hand trug, ebenfalls bei Curro Dimas Guzman und bei und bei Fidel Gabino Mariano — weil sich Jorge zu Domingo hinab beugte und seine Hand auf dessen Arm legte, während er leise auf Spanisch mit ihm sprach.

Oliver implodierte heimlich. Linke Ratten! Mafia! Ich Idiot habe mich von Neal wieder blenden lassen! Er arbeitet weder für einen Pferdezüchter noch im Umweltschutz! Auch nicht als Trucker oder Drogenschmuggler. Nein, nein, nein, nein, nein! Alles war ein Fake: Neal mit dem Flummi in der Cessna ... Neal mit den hübschen Rassepferden ... Neal im Crystalline Valley ... Der Kerl ist Mafia! Tiefste, schwarze Untergrundmafia. Und er hat Geld wie Heu!

Der Schreck saß tief.

Oliver musterte den Neal, den er so nicht kannte: der noble Anzug, das elegante Hemd. Schon der Stoff des Blazers fiel erkennbar teuer; es war einer dieser Stoffe, die aussahen wie jeder andere und doch bei zweiten Hinsehen unbezahlbar waren. Zweitausend Dollar für das Jackett? Oliver schätze, dass es das traf. Wo hat er das her? Maßgeschneidert ist es auch.

Neal wirkte plötzlich nicht mehr wie ein chaotischer Freak, sondern wie ein eiskalter Geschäftsmann. Dieser Eindruck befremdete Oliver; an den Gedanken musste er sich erst gewöhnen. Selbst die drei Dreadlocks wirkten in dem Kontext nicht freakig, sondern wie eiskaltes Kalkül, wie zur Show getragene Extravaganz — und die arroganten kühlen Blicke sprachen Bände.

Oliver musterte die anderen Personen mit schnellen aufmerksamen Blicken: Glauco und Luca in ebensolch teuren Anzügen, mit den gleichen dominant-kühlen Minen und berechnenden Blicken. Sie trugen das Sonnen-Tattoo am Finger, das auch Neal zierte. Paca Chieko in einem ultrateuren schwarzen Kostüm. Alleine ihrAuftreten sprach Bände von Macht. Geschäftsleute, die ganz oben sind ... die haben es nicht nötig Laptoptaschen mit sich zu führen und mit Dokumenten zu wedeln ... drei Bodyguards! Woran arbeiten sie? MAFIA!

In Lucas Gesichtszügen, in seinen mit Gel drapierten Haaren, in jeder seiner Bewegungen und Blicke, spiegelte sich Hochfinanz und Politik, Diplomatie und Reichtum. Einer wie er saß mit stoischer Miene in Tischrunden, deren Entscheidungen von der Presse kommentiert wurden, oder deren Entscheidungen das Schicksal der Politiker entschieden.

Sind sie Politiker oder Mafiosi? Im Zweifelsfalle beides, entschied Oliver.

Sein Blick fiel zurück auf seine beiden Gesprächspartner am Tisch, Curro Dimas Guzman und Fidel Gabino Mariano. Für die hier, ist das Melassegeschäft kein Deal, sondern nur ein Trittstein zu einem anderen Ziel. Die haben es nicht nötig, Kompromisse zu schließen. Wir zeichnen oder sie gehen.

Oliver lächelte in sich. CFSD: Ebenso hätten sie sich ›Corporation of Ferociously Spinning Donalds‹ nennen können, so unwahrscheinlich war es, dass es sich um eine Firma handelte, die wirklich existierte. Wenn man um sie wusste — nicht auszuschließen, dass sie ihre brasilianischen Geschäftspartner mit der gleichen stoischen Ruhe zum Melassegeschäft gezwungen hätten, um sie im Falle einer Weigerung eiskalt zu ruinieren. Wahrscheinlich nicht mehr als ein Anruf, um das zu tun. Der gleiche Anruf und die CFSD verschwand mitsamt ihren Identitäten in internationaler Anonymität, gedeckt von Banken und Hochfinanz.

Olivers Gedanken galoppierten weiter. Ein kurzer Seitenblick zu Neal. Es tangiert ihn nicht, mich zu sehen. Es lässt ihn kalt, dass ich seine wahre Identität kenne. Ja, es ist ihm tatsächlich egal! Oder hat er das Treffen gar initiiert? Unfug! Ich sehe Gespenster, wo sie nicht sind. Verschwörungstheorien!

Oliver schalt seine Gutgläubigkeit. Unfug! In diesen Kreisen ist nichts egal. Diese Schurken wissen wer zum Treffen kommt, noch bevor sie kommen. Wahrscheinlich ist Neal längst informiert über meine Geschäfte. Seit wann? Seit McCarthy? Hat er gar seine Finger im Spiel? Cidre ...? Intrigiert er heimlich gegen mich? Deshalb wollte er mir Idale für einen Dollar abkaufen! SCHUMMLER!!!

Oliver wusste, dass er gegen diesen Neal chancenlos war. Dieser Neal ließ sich nicht in die Karten schauen. Aber er auch nicht. Dieser Neal verlor sein Ziel vor Augen nicht. Aber er auch nicht. Dieser Neal zog seinen Job hier durch, egal was dahinter steckte. Und ich auch. Wenn ich mich über ihn aufrege, verliere ich die Übersicht über die laufende Diskussion!

Oliver verstand plötzlich. Die sechs Gäste setzten sich nicht. Es war nicht das Geschäft mit der Melasse, das sie interessierte. Diese Personen waren nur vorbeigekommen, um Fidel Gabino Mariano abzuholen, um ihre eigenen Geschäfte abzuwickeln.

»Sie werden mich entschuldigen, aber dringende Bankgeschäfte zwingen mich, diese Runde unerwartet zu verlassen«, sagte Fidel Gabino Mariano. »Curro Dimas Guzman wird die weiteren Formalitäten in unserem Sinne erledigen.«

Wieder implodierte Oliver. Der Milliardenvertrag über Melasse ist euch wohl egal, ihr Pfeifen!

Fidel Gabino Mariano stand auf und verabschiedete sich mit einem höflichen Kopfnicken. Doch man sah, dass er schon mit seinen Gedanken längst woanders war.

Mit einem Handwink waren die Gäste wieder fort. Die Bodyguards deckten auffällig unauffällig ihren Rückzug.

Oliver folgte ihnen mit seinen Blicken. Er sah, dass sie in zwei verdunkelte Limousinen stiegen, die vor dem Hotel warteten. Dann waren sie weg.

Er blieb aufgewühlt. Und ich Idiot glaubte, Neal würde als Bodyguard arbeiten, wenn er selbst welche beschäftigt. Pah! Ich werde dieses Melassegeschäft durchziehen, komme was will. Egal, was du Schummler machst, aber das ist mein Geld und meine Zukunft. Ihr schurkischen Schaumschläger bringt mich nicht aus dem Konzept. Egal welchen Stellenwert dieses Melassegeschäft für euch Mafiosi hat, ist es immerhin wichtig genug, dass ihre einen eurer Tattoo-Gangster hier lasst, um es zu realisieren. — Soll ich Starvy bitten, Informationen herauszufinden? — Unfug! Er wird nichts herausfinden. — Doch! Ich werde Starvy bitten! Ich werde ihn zukünftig immer engagieren. So etwas passiert mir nicht noch einmal!

Ende der Leseprobe

Anmerkung

Alle im Buch befindlichen Handlungen, Namen und Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, Namen oder Handlungen sind unbeabsichtigt und rein zufällig. Städte und Landschaften beugen sich der Fiktion.

Rolling in Cash

bedeutet Geld wie Heuch.