Studio Eskamotage → L. Cerón → Mariañaca-Saga → The Case of Dr. Perrou → Tepeyollotl in Walhalla
Auf der Fährte der Geldwäscher. Mit der Piper Aztec in der Karibik. Zu einer Hacienda, die so gesichert ist wie ein Hochsicherheitsgefängnis. Können sie den Aktivisten überführen?
The Case of Dr. Perrou ist in Bearbeitung.
Olivers Freund, der Hacker Starvy, entlarvt einen Verräter in der alten Mariañaca. Severino, ein Aktivist der ersten Stunde, ist womöglich nicht tot, sondern lebt versteckt in der Karibik. Ist er wirklich der Geldwäscher von Emilio Santander? Die Mariañaca entscheidet, ein Team loszusenden, um der Fährte zu folgen. Sie brauchen aber Olivers Piper Aztec, einen kleinen Flieger, um frei und unerkannt durch die Karibik zu schleichen.
»In den alten mexikanischen Mythologien wird ebenso wie bei den frühen Persern häufig der Konflikt zwischen Gut und Böse als Licht und Dunkelheit beschrieben, also die Götter der Sonne, des Lichts und des Spaßes gegen jene düsteren Gestalten, die Chaos, Zerstörung, Mord, Tod, Gewalt mit sich bringen ...«
Oliver und Neal saßen auf Neals improvisierter Terrasse unter dem noch improvisierterem Segeltuchdach. Es war nicht wirklich warm draußen. Die beiden Freunde trugen dicke Pullover und froren trotzdem. Oliver schaute kurz von seinem Kaffee hoch und Neal misstrauisch an, alleine weil dessen Stimme viel zu beiläufig lauernd war, viel zu honigsüß auch. Außerdem kannte er Neal seit fast dreißig Jahren, da gab es keine Heimlichkeiten. Schweigend wandte er sich wieder seinem Kaffee zu.
»Die Sonne überhaupt hat eine sehr tiefgreifende Bedeutung. So kennen die meisten Mythologien eine Art des Walhalla. Sie alle glaubten, dass sie nach dem Tode wiederauferstehen und der Sonne dienen ...«
Oliver blickte Neal noch misstrauischer an.
»Was willst du mir damit sagen?«, fragte er kritisch.
»Ich?« Neal lächelte betont unschuldig. »Mir fielen nur zufällig einige mexikanische Mythologien ein. – Du weißt doch, das Susana darin promovierte und ich somit unfreiwillig mit.«
»Ja, weiß ich!«, entgegnete Oliver und wandte sich wieder seinem Kaffee zu.
»Die Nahuatl haben viele Gottheiten: Tepeyollotl zum Beispiel, ist der Gott, mit dem sie seismische Störungen und Erdbeben verbinden. Nach Übersetzungen des Telleriano-Remensis-Codex heißt er auch Tepeolotlec. Nun das bezieht sich auf den Zustand der Erde nach der Flut. Manche vermuten, dass die eigentlichen Sagen um ihn eher den Mixteken und Zapoteken zuzuordnen sind.«
Oliver schaute streng hinter seiner Kaffeetasse hervor.
»Du klingst doch schon unnatürlich. Solche Märchen habe ich ja noch nie von dir gehört", kritisierte er.
»Es sind keine Märchen, sondern Sagen. Tja ... nun ... ich diskutiere meist mit anderen darüber. - Wenn ich seismische Unruhen höre, denke ich übrigens immer an die Karibik und die vielen zerklüfteten Inseln ...«
»Du denkst an die Karibik, wenn du an einen Gott namens Tepe-irgendetwas ...?«
Oliver schaute bohrend, während Neal betont gelangweilt zur Seite blickte – zu betont.
»Yacatecutli zum Beispiel ist der Schutzherr der Reisenden und der Handelsleute – vielleicht sollte ich dir gelegentlich ein hübsches steinernes Amulett mitbringen, damit es dich schützt? Du reist doch so viel!«
Oliver schüttelte verständnislos seinen Kopf.
»Danke, mein Christophorus reicht mir vollkommen. – Neal?! WAS genau willst du?«
»Ich träume nur ein wenig ... von den Göttern, von der Karibik, von Reisen, weißt du ...«
»Warum glaube ich dir nicht?«
Oliver schüttete sich Kaffee nach und beobachtete die kleinen, grünen Blattsprossen, die sich überall an den Zweigen der Bäume zeigten, und die auf das Nahen des Frühjahrs hinwiesen. Sie halfen, sein Frösteln zu vergessen. Er war mit seinen Gedanken bei Paula, bei Marielle, in Paris, vielleicht noch bei der redseligen Maite und ein wenig mehr bei Aracelis.
»Seinerzeit gab es eine Revolution in Mayapan«, fuhr Neal nach einer Pause fort. »Die Tyrannei einer unfähigen Oligarchie forcierte die Querelen zwischen den Cocomes und den Nahuatl; der tyrannische Herrscher Hunac Eel reagierte trotzdem diplomatisch, weil ...«
»Warum erzählst du mir jetzt das?«, unterbrach Oliver seinen Freund, bevor dieser seinen Satz beendet hatte. Er nippte am nächsten Kaffee. »Warum meinst du überhaupt, es interessiere mich?«
»Reine Überlegungen, nicht mehr. Ich dachte an Licht und Dunkelheit, an Walhalla und die Karibik, wo es schon immer so viel Unterdrückung gab: Bananen- und Zuckerrohr, Niedriglöhne, Aufstände ...«
Beide schwiegen eine Zeitlang.
Oliver trank seine zweite Kaffeetasse restlos leer und fingerte die letzten Kekse aus der Schüssel. Er fröstelte noch immer. Um sich abzulenken, beobachtete er, wie sich die zartgrünen Blattspitzen im Wind wogen. Jäh fasste er sich ein Herz und wandte sich an Neal.
»Wobei soll ich dir helfen?«, er fordernd.
Als er Neals unschuldig verlegenes Gesicht sah, wusste er, dass er richtig lag. Doch Neal ließ ihn weiter zappeln. Jetzt nippte er an seinem Kaffee, betrachtete träumerisch die lichten Grüntöne der Baumblätter. Das zarte Grün flog wie ein Windhauch über die Bäume und zog bis zu den Bergen.
Längst hatte sich Oliver seinen Teil gedacht.
»Neal«, tadelte er. »Du willst also mit mir in die Karibik fliegen. Dort besuchen wir eine Plantage. Warum, Neal?«
Neal trank erst seinen Kaffee ganz aus, bevor er antwortete. Diesmal ziemlich dynamisch. Damit beendete er das Versteckspiel.
»Die Firma nennt sich Fruit de Nature, hat ihren Sitz in Louisiana und baut gerade ein Handelsnetz von Bio-Obst und Rohrzucker für Naturkostläden auf. Der Besitzer dieser Firma heißt übrigens Julian Patrick Ducharches und hat französische Wurzeln. Du hat doch ein Händchen für französisches Patois.«
»Patois? Ich? Der Philosoph von der Sorbonne? Straßenfranzösisch?
»Meinst du nicht, du klingst jetzt sehr arrogant. Patois ist quasi etablierte Sprache ...«
»Das meinst auch nur du. Ich als Franzose ...«
»Französische Philosophie an der Sorbonne – daran solltest du ohnehin nichts messen.«
Oliver verdrehte die Augen.
»Okay, weiter. Also Früchte? Biozucker. Macht man damit Geld? Hat jener Ducharches langjährige Geschäftserfahrung, dass sich eine solche Reise rechnet?«
»Das weiß ich nicht. Du bist Ducharches. Kannst du dir aussuchen und in deinen Lebenslauf hineinschreiben, wenn du deine Anfragen startest. Wir fliegen in zwei Tagen mit deiner Piper los. Ein Handbuch für Patois habe ich schon erstanden.«
Neal platzte damit so heraus. Oliver lauschte verblüfft. Dann grinste er.
»So, so! Hast du schon erstanden. – Und du bist sicher, dass ich Zeit habe?«
»Wolltest du nicht schon immer wieder in die Karibik? Nun – ich bezahle es dir.«
Oliver warf Neal einen ganz schrägen Seitenblick zu. »Warum?«
»Warum ich dir das bezahle?«
»Warum fliegen wir wirklich? Noch ein lukrativer Diamantendeal, den ihr ohne mich abzieht?«
Neal schaute nachdenklich in seine leere Kaffeetasse und griff nach der Thermoskanne, dann lächelte er Oliver freundlich an – und sah aus wie ein Kobold.
»Er heißt Severino, war mein bester Freund und gehörte zu den Guten. Er verschwand. Und man könnte nun sagen, hm ... es könnte sein ... dass er wieder aufgetaucht ist und für die Gegenseite arbeitet oder arbeiten muss. Vielleicht taucht er auch nicht wieder auf und das ganze war eine Fehlinformation.«
»Und deshalb erzählst du mir diese Märchen von Licht und Dunkel und von Walhalla? Das hättest du einfacher haben können.«
»Ist es nicht passend? Ein Freund, der keiner ist ... Licht und Dunkel? Walhalla? Verschwunden und wieder aufgetaucht ... Ich musste echt lange überlegen, bis mir etwas Passendes einfiel, aber du hast meinen netten Versuch ja gleich unterlaufen.«
»Lange überlegt? Du lügst. Das hast du dir einfach aus dem Ärmel geschüttelt.«
»Dann glaubst du mir eben nicht. Auch gut«, sagte Neal.
Er zuckte seine Schultern hoch und schaute reizvoll lächelnd zu Oliver.
»Siehst du die dicke Amsel. Ich kenne ihn gut. Er liebt selbstgebackenes Weißbrot mit Leinöl. Sein Federkleid wirkt in diesem Licht rosenrot, als hätte ich an diesem rosaroten Abend eine rosarote Brille an.«
Es zog ein wirklich herrlicher Sonnenuntergang mit einem rosa Himmel auf. Der tauchte die ganze Umgebung in ein rosarotes Licht: rote Bäume, rote Grashalme - und ein rosafarbener Bou-Bou. Er rannte schnurstracks auf Oliver zu.
»Hilfe Neal, helfe mir!«, rief Oliver.
Doch der Hund sprang Oliver wie ein wilder Handfeger an, noch bevor er ihn abwehren konnte. Oliver drückte den Hund lachend zur Seite, weil Neal ihm nicht half. Es dauerte, bis Ruhe einkehrte und sich Bou-Bou wieder trollte.
»Was springt dabei für mich heraus?«, fragte Oliver geschäftig.
»Außer deiner möglichen Rache an Santander und dem Gefühl, dass du Gutes tun könntest?«
»Inwiefern?«
»Wenn es meinen Freund tatsächlich wieder gibt, könnte er uns Informationen liefern, die uns einen Schritt gegen Santander weiterbringen – und damit dich mit.«
»Informationen gegen Santander? Wie das? Arbeitet er für Santander?«
»Womöglich.«
»Als was? Doch nicht als Bodyguard. In deinen Kreisen doch nicht.«
»Wir vermuten als Geldwäscher.«
»Als Geldwäscher?«
»Als Geldwäscher!«
Oliver zischte durch die Zähne.
»Und wenn nicht?«, fragte er.
»Wenn nicht, gibt es nicht.«
»Ich meine, wenn er nicht plaudern will.«
»Wir würden ihn sicherlich überzeugen können.«
»Überzeugen? So wie Pino? Mit Waffen, Drohungen und Gewalt?« Oliver schüttelte für sich den Kopf, weil er an Dinge dachte, an die er gar nicht denken wollte. »Besorgst du uns unten einen Flieger?«
»Was ist mit deiner Piper? Ich sagte doch, wir fliegen mit ihr."
»Sie steht im Hangar.«
»Ist sie schon wieder kaputt? Sagtest du nicht, sie wäre generalüberholt worden und würde perfekt fliegen?«
»Stimmt ja auch.«
»Aber?«
»Sie wird lackiert.«
»Lackiert?«
»Was dagegen?«
»Nein.«
»In einer Woche könnten wir sie ...«
»Vielleicht könntest du die schöne endgültige Lackierung auch ein wenig aufschieben? Dann könntest du sie vielleicht anders lackieren?«
»Anders lackieren?« Oliver legte seinen Kopf schief und ahnte alles. »Du meinst eine andere Farbe, vielleicht sogar eine andere Nummer?«
»Na ja, ich meine ... ich dachte zumindest, wenn du sie lackierst und dir dann die Farbe nicht gefällt, könntest du sie noch einmal umlackieren lassen, ich meine ... wir würden das bezahlen ... und wir kennen auch jemanden in Louisiana, der sich auf Derartiges spezialisiert hat.«
Oliver verdrehte die Augen, doch er schmunzelte unverkennbar.
»Starvys Infos scheinen ja mächtig interessant gewesen zu sein.«
»Wir können auf dich zählen?«
»Vielleicht. Ich werde mit dem Patois-Handbuch, Obst und Rohrzucker auseinandersetzen, damit ich weiß, was ich einkaufen muss?!”
»Eine brillante Idee.«
»Wer ist übrigens wir?«
»Aracelis, deine Sekretärin. Benito, der Abt.«
Aracelis? Nicht verkehrt. Ein echtes Argument für eine gemeinsame Reise.
Oliver ließ sich nichts anmerken und fragte weiter: »Benito? Padre Benito? Damit ihr euren Freund nicht zufällig umbringt, während ihr ihn zu überzeugen versucht, ja?«
»Oliver, bitte! Benito ist ein guter und feinfühliger Redner und einer meiner und einer von Severinos besten Freunden. Natürlich soll er mit ihm sprechen.«
Oliver verdrehte die Augen und glaubte gar nicht.
»Wer fliegt noch mit?«, fragte er.
»Ein Mann unserer Wahl«, redete sich Neal heraus und schaute beflissen auf den rosaroten Sonnenuntergangshimmel.
»Also Alfonso, der Scharfschütze? Dann will ich eine Gefahrenzulage und wenn meine frisch lackierte Piper ...«
»... die wir dir umlackieren!«
»... auch nur einen allerkleinsten Kratzer abbekommt, echt, Neal, dann ...«
»Wodurch sollte sie denn einen Kratzer abbekommen, Oliver? Du fliegst in die Karibik, sprichst mit einem Obst- und Zuckerrohrproduzenten, machst vielleicht ein Geschäft, schaust dabei, ob dir unser Freund über den Weg läuft ...«
»Wenn gerade DU etwas Derartiges derart scheinheilig erzählst, sehe ich mich auf schwer zugänglichen Urwaldpisten und ich höre schon wie die Kugeln an meiner frisch lackierten Piper entlang schrappen – ich höre Polizeisirenen, weil ich an einer Entführung beteiligt bin und ich sehe das ostkaribische Militär mit Abfangjägern hinter mir herfliegen – und ich sehe dich und Alfonso mit einem unschuldigen Gesicht Märchen erzählen – oder täusche ich mich?«
»Nein, Alfonso kommt nicht mit. Du weißt doch, dass er kategorisch nicht fliegt. Wahrscheinlich Segundo, ein neuer Freund unserer Organisation. Wäre nicht unpraktisch, weil er selbst eine Fluglizenz hat.«
Olivers Blick war tödlich, und Neals Mine blieb stoisch ruhig.
»Damit jemand die Maschine zurückfliegt, wenn man mich zufällig umbringt? Ihr nehmt doch sicher einen teuer bezahlten Superprofikiller mit, oder täusche ich mich? - Wie lange dauert die Aktion?«
»Na, rechne doch mit. Zwei Tage hin, zwei zurück. Noch wissen wir nicht, ob und auf welcher Karibikinsel Severino residiert; wir müssen also ein wenig herumsuchen, bis wir ihn finden. Zehn Tage, vierzehn Tage etwa, meiner groben Berechnung nach.«
Bou-Bou trabte zu Neal und ließ sich von ihm kraulen; im nächsten Moment sprintete er quer über die Wiese, um einen Vogel zu jagend. Pabolo schaute ihm nur träge nach und Jiva grollte mit Unmut.
»Eine lange Zeit, in der ich unterwegs wäre ... Was zahlst du mir?«
Neal warf Oliver einen nachdenklichen, dann einen geschäftlichen Blick zu – so, als wäre er ob der Frage gar entrüstet.
»Was willst du denn haben?«
»Tausend pro Tag schätze ich wäre handelsüblich. Plus Gefahrenzulage. Sagen wir zweitausend pro Tag nur für die Piper zuzüglich Versicherung, Benzin und all den anderen anfallenden Kosten.«
»Du wucherst.«
»Nein, ich bin nur Realist. Ihr braucht meine Piper für eure sicherlich illegalen Zwecke und ich spiele das Spiel eben zu meinen Konditionen mit.«
»Wenn wir uns eine kaufen ...«
»Dann kauft euch doch eine! Euren Piloten habt ihr ja schon. Aber damit noch nicht euren französischen Übersetzer und Vertrauensmann. Den braucht ihr doch, nicht wahr? Sonst würdest du mich doch gar nicht fragen.«
Neal schüttelte ertappt den Kopf.
»Du bist ein wuchernder Erpresser!", schimpfte er gespielt. "Und was willst du verdienen?«
»Das gleiche. Plus Unkostenzuschuss: Hotel ... Essen ... Gefahrenzulage, Verschwiegenheitsbonus ...«
Neal verzog leicht das Gesicht. »Viertausend pro Tag für euch beide – das ist nicht gerade wenig.«
»Deine Entscheidung.«
»Du bist ein ...«
»Wucherer? Sagtest du schon. – Du kannst ja jemand anderen engagieren. Nie etwas von lukrativen Lockangeboten gehört? Ich könnte mich auch hier ausreichend beschäftigen. – Und jetzt lass uns ins Haus gehen, sonst hole ich mir einen Schnupfen und kann nicht fliegen.«
Noch am Abend gab Neal eine Rundmail heraus und teilte seinen Freunden mit, dass Oliver die Expedition zur Chiquiañtas begleitete.
Heimliche Freude bei Oliver. SCHÖN!
Heimliche Freude bei Aracelis. GUT!
Neals Kommentar zu Victoriano: »Gut, dass wir Aracelis mitfliegt, sonst hätte er wohl nein gesagt.«
Ende der Leseprobe
Alle im Buch befindlichen Handlungen, Namen und Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, Namen oder Handlungen sind unbeabsichtigt und rein zufällig. Städte und Landschaften beugen sich der Fiktion.
Der Titel lehnt sich stilistisch an die Kriminalromane des 20. Jahrhunderts an.
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