Studio Eskamotage → L. Cerón → Mariañaca-Saga → Xož → Gate 47B Ankunft Bogotá
Gefangen im Netz tödlicher Intrigen. Fliehen ist nicht. Jeder zwingt dich zurück. Oder du bist tot. Es gibt nur einen Weg: Mut und Wahrheit. Aber das ist so wackelig wie ein Drahtseil über dem Abgrund.
Xož ersetzt den Titel Do Laze 3 in der überarbeiteten 3. Auflage (demnächst).
Die Mariañaca verdächtigt Neal der Spionage in ihren Emilio Santander setzt ihn unter Druck für ihn zu arbeiten. Die kolumbianische Mafia drängt ihn Santander zu verraten. Neal schließt sich mit seinem kolumbianischen Freund César kurz, um sich im Falle der zuspitzenden Eskalation mit dessen Hilfe nach Kolumbien abzusetzen. Doch dafür muss er liefern.
Donnerstag.
Lagebesprechung in der Fahrzeughalle. Die gesamte Führungsspitze der Cachana war anwesend: Silverío, Paco, Fele, Isidro, Shizuka, Ana, Sarita, César und Vicente.
Silverio, der Wortführer, schaute auffordernd durch die Gruppe.
»Unser Ziel heißt: RCD Logística in Cuernavaca, México«, sagte er. »Camparena nannte uns die Adresse. Wir haben es nachrecherchiert. Seine Aussagen stimmten: Cuernavaca ist der Anlaufpunkt für Drogentransporte. Unser Plan: Wir gehen herein, holen die Geschäftsbücher, checken die Transportwege bis hier nach Kolumbien und BUMM! Dann haben wir sie. Probleme: Die RCD hat keine Internetpräsenz, kein Nichts. Wir wissen nichts über die Stärke des Werkschutzes und der Bewachung. Wir kennen nicht die Größe und Lage der Gebäude. Wir können somit auch nicht einschätzen, wie groß, wie ausgerüstet das Team ist, dass wir nach Mexiko schicken müssen. Definitiv brauchen wir ein großes Team und einen Plan mit einer Vorlaufzeit von ...«
»Wir haben nicht mehr als maximal vierzehn Tage zur Verfügung.«
»Dann schicke ich Neal los, damit er uns ein paar Fotos und Informationen schickt?! Er ist wie nichts dort«, schlug César vor.
Vicente knurrte ungehalten.
»Chichitzeca? Diese pazifistische Pfeife?!« Er machte eine wegwerfende Handbewegung, dann gab er nach. »Gut. Schicke ihn zur RCD. Besser wir haben wenige Informationen als keine. Hat ja immer noch unser Auto, die Pfeife.«
***
Donnerstag.
Der Anruf Césars erreichte Neal kurz nach dem Abendessen, als er mit den Geschwistern und seinen beiden Hunden auf dem Weg nach Quinicharoo war, um seinen üblichen Aufgaben dort nachzukommen. Danach war Spaß angesagt, denn die Geschwister hatten ausreichend Spielgefährten und er Partner für La Viuda, Conquian oder Boccia? Sicherlich!
»Choa, Neal!1 Du gehst nach Cuernavaca zur Firma RCD Logística«, befahl César knapp.
»Was soll ich da?«, fragte Neal argwöhnisch.
»Komme mir nicht wieder mit deinen Vorwürfen, wir wären ein paramilitärisches Killerkommando.«
»Seid ihr nicht, nein?«, spöttelte Neal.
»Nein! Wir holen nur die Geschäftsbücher heraus.«
»Und ich?«
»Du besorgst uns die Informationen übers Gelände, Werkwache, Kameras. Übermorgen, Wochenende?«
»Ja. Geht«, meinte Neal kurz.
»Wann?«
»Ich fahre Freitag los. Samstag habe ich die Informationen ...«
»... und Sonntag treffen wir uns am Flughafen in Ciudad de México«, bestätigte César.
»Ihr wollt die Kontaktadressen und Transportwege des Kartells offen legen ...?«
»... um in Kolumbien aufzuräumen, ja!«, bestätigte César. »Und ja, Neal! Ich arbeite an einer echten Identität für dich. Wenn ich komme, bringe ich dir das Spesengeld bar mit. Und Neal, noch etwas: Du näherst dich dem Péncamas. Sie könnten Kameras um das Gelände positioniert haben. Denke daran.«
»Hey César! Ich bin kein Anfänger. Was meinst du, wie viel Kameras ich in meinem Leben ausgewichen bin.«
»Auch den Kameras von einem Drogenkartell?«
»Kameras sind Kameras.«
»Bar biro.«2
Neal bog schwungvoll in die Einfahrt von Quinicharoo ein. Die beiden Hunde der Siedlung kamen ihm freudig bellend entgegen.
»Wir fahren am Wochenende spazieren«, wandte sich Neal an Paqueira und Octavio. »Morgen Abend geht es los. Aber das bleibt unser Geheimnis, denn das darf NIEMAND wissen.«
»Was machen wir? Etwas Spannendes?«, fragte Octavio neugierig.
»Klar!«, antwortete Neal. »Wir übernachten im Dogde. Dann beobachten wir eine Firma wie echte Detektive. Und danach bringen wir Geheiminformationen zum Flughafen und übergeben sie einem echten Spion.«
Paqueira lachte leise.
»Du machst es wirklich immer spannend.«
***
Freitag
Ramón suchte Neal und fand ihn nicht.
»Marcelina! Wo ist Neal? Sie spielen ja heute gar kein Basketball?!«, fragte er freundlich.
Sie klärte ihn darüber auf, dass Neal bis Sonntag Abend verreist war.
»Er wollte mit den Geschwistern in einen Freizeitpark in der Nähe der Hauptstadt. Frage doch bitte Frederico, Ramón. Er weiß Genaueres.«
»Wo ist Chichitzeca?«, erkundigte sich Ramón stattdessen sofort bei Jesús.
»Nicht bei dir?«, fragte Jesús lächelnd. »Das Handysignal ist auf Felicidad.«
»Dann hat er sein Handy hier gelassen, um uns zu foppen«, sagte Ramón verärgert. »Was ist mit dieser kolumbianischen Nummer, die du gespeichert hast und die nie wieder auftauchte?«
Jesús lachte leise.
»Die kolumbianische Handynummer fährt auf der 45 in Richtung Süden und ist vor Irapuato.«
»Passt«, grummelte Ramón. »Chichitzeca ist unterwegs — mit diesem kolumbianischen Handy.«
»Er ist gut der Mann, nicht wahr? Dafür, dass er von der Straße kommt und eigentlich keine Ahnung hat. Na! Dann habe ich wenigstens ein spannendes Wochenende?!«
»Du kannst Gedanken lesen! Danke, dass du seine Spur verfolgst.«
***
Samstag
Neal übernachtete in Cuernavaca. Er ließ die Geschwister in einem Frühstückscafé zurück und brach zur RCD Logística auf. Die Firma lag etwas außerhalb, am Rande eines Industriegebietes. Es war ein altes, freistehendes Firmengebäude. Daneben stand eine neue Lagerhalle. LKWs in der Einfahrt. Ein Pförtner. Werksschutz.
Neal fuhr einige Male um das Firmengebäude. Gestohlenes mexikanisches Kennzeichen, Schirmmütze im Gesicht, Tattoos versteckt. Nein, man konnte ihn nicht erkennen. Er stieg aus und lief ein wenig spazieren. Dabei knipste er Fotos. Schließlich fuhr er noch mit dem Transporter eine Runde und schoss die nächsten Fotos. Vorbeifahren, kurz stoppen, Kamera versteckt: Foto!
Er hatte Angst, dass er auffiel. Den Geländeplan speicherte er sich im Kopf. Erst in die Innenstadt notiert er ihn auf einem Zettel. Erst danach holte er die Geschwister ab.
»Jetzt geht es nach Ciudad de México«, sagte er und gab Gas.
***
Samstag.
Ramón hatte eine unruhige Nacht hinter sic. Noch vor dem Frühstückskaffee griff er zum Handy.
»Wo ist Chichitzeca hingefahren, Jesús?«, fragte er.
»RAMÓN! Du bist echt hartnäckig. Wir wissen nicht einmal, ob Chichitzeca überhaupt mit dieser kolumbianischen Nummer spazieren fährt.«
»WER denn sonst? Ich fühle das, glaube mir.«
»Seit wann hast du Intuitionen, Herr Doktor?«, fragte Jesús. »Die kolumbianische Handynummer war in León. Celaya. Salamanca. Toluca. Anschließend: Cuernavaca, Industriegebiet.«
»Cuernavaca? Industriegebiet?«
»Ja. Ich habe die Route verfolgt. Nichts Außergewöhnliches. Innenstadt, Industriegebiet, Innenstadt, Autobahn. Klingt wie ein Auslieferungsfahrer, ein Paketbote!«
»Cuernavaca? Ist da eine Firma von Santander?«
»Nein. Weiß ich zumindest nicht.«
Ramóns blieb beunruhigt. WAS weiß Chichitzeca, was wir nicht wissen? Er, die Cachana oder irgendwer? WAS macht ER?
Er informierte die Mariañaca, doch seine Engagement stieß nicht auf Gegenliebe.
»Euer Arbeiter fährt seine Kinder spazieren,woanders liefert ein Kolumbianer Pakete aus«, grantelte Victoriano. »Mí barón! Du hast dich in diese Idee verrannt.«
***
Sonntag
Neal begrüßte seine Pflegekinder mit bester Laune. Sie hatten den vorherigen Nachmittag in einem Zoo vertrödelt und waren dann bis spät in der Nacht durch die Hauptstadt gebummelt. Eigentlich hätte es immer so sein können. Kein Don Diego mit seinem Pferdetraining, keine Pflichten, nichts. Aber nun. Sie suchten sich ein hübsches Frühstückscafé, danach fuhren sie gemütlich zum Flughafen, um César zu treffen.
Neal erinnerte sich mit Groll an die Szene auf dem Flughafen von Rio de Janeiro zurück. Verhaftet, beschimpft, verschleppt, geschlagen und aus dem Auto geprügelt von martialischen Wachleuten. »Não! Sou nenhum assaltante! Sou nenhum vadio! Sou nenhum ladrão ou arrombador ou intruso! Sou nenhum patife ou nenhum cafajeste! SIM!«3VON WEGEN! Hier scheucht mich kein Bourgeois davon und erteilt mir Hausverbot! Dieser Flughafen gehört MIR. YEAH! Ist ein schönes Gefühl voran zu kommen. Hoffentlich bleibt das auch so und ich stehe nicht in zwei Monaten wieder obdachlos auf der Straße. Ob ich das noch einmal durchstehe? Nein! Ich weiß das, sonst hätte ich Felicidad längst verlassen.
***
Sonntag.
Die Mariañaca traf sich bei Joaquin. Das Wetter lud dazu ein, auf der Terrasse zu plaudern. Es war weitaus entspannter als in den ewigen Cafés, Hotels, Restaurants und Seminarräumen, die sie sonst aus Sicherheitsgründen aufsuchen. Wer war gekommen? Ramón, Sergio, Ricardo, Victoriano, Iñigo, Raúl, Nicodemo, Tomás und Paquito, das alte Team. Eine angenehm kleine Gruppe.
»Wo ist Chichitzeca jetzt?«, erkundigte sich Ramón telefonisch bei Jesús.
»R-A-M-Ó-N!«, mahnte Joaquin. »Haben wir keine anderen Gesprächsthemen? Das wird ja zu deiner Phobie! Lass den Mann doch endlich spazieren fahren.«
Doch sein Kommentar prallte ab.
»Das kolumbianische Handy ist auf dem Weg zum Hauptstadt-Flughafen«, sagte Jesús. »Wenn es nicht Chichitzeca gehört, keine Ahnung.«
Ricardo schaute suchend durch die Gesichter seines Teams. Erneut bahnte sich ein Streit an. Nur wegen Chichitzeca. Er war es leid, dass sie sich davon ablenken ließen. Er wollte endlich Klarheit, damit das Thema vom Tisch kam.
»Wer ist in der Hauptstadt und kann SOFORT zum Flughafen fahren?«, fragte er.
»Jerónimo«, antwortete Sergio.
Ricardo fragte: »Wer kennt Jerónimo am besten? Tomás?! Rufe ihn an: Jerónimo soll SOFORT zum Flughafen fahren, EGAL was er gerade macht. Ich will wissen, ob Chichitzeca das kolumbianische Handy hat und wenn ja, mit wem er sich trifft.«
»AH!«, sagte Victoriano.
»Natürlich besitzt Chichitzeca das kolumbianische Handy, mi general ...«, protestierte Ramón.
»DAS kolumbianische Handy ist ein Phantasiegebilde, mi barón!«
»Nein, mi general! ICH kenne meinen perro callejero besser als du, mi general«, grantelte Ramón.
Victoriano machte eine wegwerfende Handbewegung. Er tat, als hätte Ramón nichts gesagt.
»JA!«, spöttelte er. »Das wäre was! Chichitzeca verlässt Mexiko: Hunde, Kinder ... er hat alles dabei, was er braucht. — JA! Hoffentlich verschwindet er einfach. Ich bin diese Diskussionen leid! HAST du gehört, mi barón? ICH BIN ES LEID, was du dir da alles zusammendenkst. Dieser Mann ist ein Hänger, mi barón. Aber du stilisierst ihn zum Staatsspion.«
»Beides nicht, mi general. Mir geht es nur um die Wahrheit!«
»RAMÓN! VIC!«, ermahnte Sergio rau.
Paquito warf den beiden einen schrägen Seitenblick zu.
»Weiß Jerónimo, wie unser perro callejero aussieht?«, erkundigte er sich geflissentlich.
***
Neal wandte sich an die Geschwister.
»Während ich ein langweiliges geschäftliches Gespräch mit meinem Freund führe, spendiere ich euch ein Eis und für jeden einen Comic! Wie hört sich das an?«, fragte Neal.
Er genoss die mondäne Atmosphäre des Flughafens, genoss etwas Geld zu haben und fühlte sich wichtig: Laptop, Handy, Digitalkamera, Geheiminformationen.
»Akakallaw! ¡Pobre cito!«4, stöhnte Octavio. »Ich will den echten Spion kennen lernen.«
»Lernst du doch kennen«, schmunzelte Neal. »Aber ihr wollt doch sicherlich nicht zuhören, wenn wir über langweilige Architektur sprechen, oder?«
Sie spazierten durch die belebt Flughafenhalle und suchten an einem Magzinshop Comics. Neal kaufte gleich vier. Endlich spendabel sein! Sie flanierten zum Gate. Es war früh. Sie hatten noch Zeit.
***
Kaffee, Gebäck, Spannung. Ricardo betrachtete den kleinen Teich, spazierte die Treppen hinab und folgte dem künstlichen Wasserfall zum großen Teich. Der lag ganz romantisch von Farn umgeben in dem uralten Park. Er spazierte ein wenig durch den Park. Nach einer Viertelstunde gesellte er sich wieder zur Geprächsrunde. Sein Gesicht war ernst und angespannt, denn er vertraute Ramóns Intuition.
»Jesús?«, fragte er in die Freisprechanlage.
»Das kolumbianische Handy ist jetzt im Flughafengebäude, Ankunftshalle! Ist Jerónimo schon dort? Versucht ihn zu erreichen. Auch für mich ist es schwer, die Verbindung am Flughafen nicht zu verlieren«, warnte Jesús.
»Gehört?«, fragte Tomás Jerónimo.
»Wo ist das Handy jetzt genau?«, fragte Jerónimo.
Ihre Stimmen waren schrill und schepperten wie in jeder Freisprechanlage. Ihre Anspannung verzerrte sie noch mehr.
»Fünfzig Meter von dir entfernt. Jerónimo?«
Quälende Sekunden.
»Ihr sucht einen Mann mit zwei sandfarbenen Hunden, zwei Kindern und einer Tasche? Gelocktes Haar?«, fragte Jerónimo. »Dann steht er vor mir. Er wartet an Ankunft Gate 47B.«
»Welche Maschine kommt jetzt an«, fragte Sergio.
»Bogotá. In einer Viertelstunde«, entgegnete Jerónimo.
Diese Information schreckte sie.
»Seht ihr!«, jubelte Ramón. »Ich habe es richtig gespürt ...«
Victoriano unterbrach ihn grantig.
»WAS jubelst du, mi barón? DAS hättest du spüren müssen, bevor du ihn zu uns brachtest, mi barón. Jetzt ist es zu spät, mi barón.«
»Regt euch nicht auf«, mahnte Iñigo. »Chichitzeca trifft wen am Flughafen. Selbst wenn er ein Spion wäre: enttarnt ist er wertlos. — Jerónimo: Fotografiere alles was du siehst. Wir brauchen Gesichter, Fakten.«
»Und schau bitte, mit welchem Auto er draußen wegfährt", fügte Sergio an.
***
»¡Quiubo! Choa, César! Darf ich vorstellen: Das sind Paqueira und Octavio, meine und Plutarcos Pflegekinder.«
Neal und César drückten sich freundschaftlich. Anschließend knuddelte César die beiden Geschwister mindestens so herzlich.
F O T O!
Viel mehr Persönliches besprachen sie nicht, denn das war kein privates Treffen, sondern ein geschäftliches. Sie spazierten zu einem offenen Café im Erdgeschoss. Eis und Cola für die Geschwister, Kaffee für Neal und César. Neal hat nur Augen für die Geschwister, seine Hunde und César. Auf die Galerie hoch zur ersten Etage schaute er nur mit einem flüchtigen Blick. Dort oben herrschte reges Treiben. Es war ihm egal. So sah er Jerónimo nicht.
F O T O!
Neal und César sprachen über Santander und die RCD Logística in Cuernavaca, über die Pläne der Cachana. Neal holte den Speicherchip aus der Kamera.
F O T O!
César klappte seinen Laptop auf und legte den Chip ein.
F O T O!
Sie schauten sich die Gebäudeaufnahmen am Bildschirm an und diskutierten rege über mögliche Fluchtwege, die Bewachung, über Kameras, Alarmanlagen und Werksschutz. Ihre Finger tippten über den Bildschirm. Ihre Mimiken zeigten deutlich, was sie diskutierten.
F O T O!
César reichte Neal die Spesenkosten in einem Umschlag. Neal öffnete ihn kurz und scrollte durch die Geldscheine.
F O T O!
»Santander hat mir in einem persönlichen Gespräch zugegeben, dass er ahnt, dass ihr ihn verfolgt. Er sagt, er verfügt über gute Sicherheitssysteme und wird von mehreren Bodyguards begleitetet.«
»Ja. Dachte ich mir.«
»Er weiß garantiert nicht, dass Prisciliano zu euch übergelaufen ist. Aber wie sicher ist Prisciliano? Wie sicher ist es, dass er nicht im letzten Moment gegen uns agiert?«, fragte Neal besorgt.
César schaute finster.
»Verrat auf allen Ebenen? Weil Camparena nicht genug wusste, um Santander platt zu machen aber genug weiß, um uns zu erledigen?«, grantelte er. »Mein Team hat Camparena bei sich untergebracht, solange bis wir wissen, ob er kein Doppelagent ist. Wenn der Plan mit der RCD problemlos läuft, kann er gehen: Neue Identitäten und weg. Bis jetzt macht er sich gut.«
»Ich hatte auch das Gefühl, dass er ehrlich ist."
»Kann oder kann nicht. Ist aber nicht dein Problem. Wir wollen nur die Vertriebswege in Kolumbien aufdecken. Die Péncamas ist ein mieser Vermittler. Nur die Boreco hat die Anbaufelder und die Killerkommandos. Wir wollen NUR die Boreco. Hauptsächlich Guzmán und Roldán, denn Chacho und Boira denken nur mit ihrer Geldbörse.«
F O T O!
»Und die Marianaca?«
»Ist womöglich nur ein verfeindetes Drogenkartell, das Santander den Rang ablaufen will. Vielleicht sind sie auch militante Bürgerrechtler und verdienen ihr Geld mit Drogen? Alle Revolutionäre brauchen viel Geld.«
»Wie meinst du das?«
»So wie ich es sage. Warum sollte die Mariañaca nicht ihre Finger im Drogengeschäft haben. Ist ein lukratives Wirtschaftsmodell.«
»Die elitären, studierten Schnösel?«
»Warum nicht? Santander ist auch studierter Betriebswirtschaftler.«
»Du meinst, SIE tun, als wären sie Bürgerrechtler und sind Mafia?«
»Klar. Mafia. Staatsfeinde.«
»Ist eine Überlegung wert, César, echt«, sagte Neal.
Er dachte an Victorianos Waffenhandel, aber sagte das nicht laut. Womöglich paktierte die Cachana mit der Mariañaca, wenn es um Waffen ging. Dann war er raus. Skrupellos.
Der Kolumbianer nickte nur.
»Also: Wenn du Kontakt zur Mariañaca haben solltest, was ich nicht hoffe, dann ziehe dich vorsichtig zurück. Hast du?«
Neal schwieg.
»Und wenn SIE dir Probleme machen, dann hängen wir ihnen in Cuernavaca etwas an. Dann haben sie erst mal genug zu tun.«
Neal machte eine wegwerfende Handbewegung. Die Vorstellung, dass die Cachana eine Konfrontation mit der Marianaca suchte, gefiel ihm nicht. Wenn er nur an Sergio dachte, an Ricardo und die anderen. Besser nicht!
César schaute skeptisch. Er öffnete eine Datei im Computer, dann scrollte er durch einige Medienberichte und Informationen. Dann drehte er den Bildschirm zu Neal.
F O T O!
»Über die Mariañaca. Hat Shizuka dir organisiert. Kannst ja mal hereinschauen. Fällst um, wenn du das liest. Von wegen hehre Bürgerrechtler!«
F O T O!
Neal überflog den Text, während César ihm ihn auf einen USB-Stick übertrug und dann überreichte.
F O T O!
Sie diskutieren weiter.
»Und was macht ihr mit der RCD?«, erkundigte sich Neal.
»Wir arbeiten jetzt einen Plan aus, kommen mit einem Team vorbei, brechen ein, holen uns die Unterlagen und sind wieder weg.«
»Und ich?«
»Du hast ein echtes Alibi und bist nicht einmal in der Nähe, denn wir brauchen dich in dem Spiel noch sauber.«
»Klingt gut. Und dann?«
»Wir bekommen von der RCD Infos über Drogenfirmen in Mexiko und du spionierst für uns die Standorte aus.«
»Okay.«
»Danach verschwindest du hier oben, kommst nach Bogotá und holst dir deine Prämie ab. Schätze die Summe reicht, für sämtliche deiner Zukunftspläne, wenn dein Rahmen bescheiden ist.«
»Mir reichen eine neue Identität. Vielleicht ein paar tausend Startkapital.«
»Klingt vernünftig und realisierbar. Schätze, wir sind im Geschäft.«
F O T O!
César flog mit der nächsten Maschine keine zwei Stunden später zurück nach Bogotá. Neal brachte ihn zum Gate.
F O T O!
Anschließend spazierte er mit den Geschwistern zu den Parkplätzen. Er wirbte er Octavio wild herum und spielte mit den Hunden Fangen. Anschließend schloss er den blauen Dogde Caravan auf fuhr weg.
F O T O!
***
Gespannte Unruhe bei der Mariañaca. Als Routiniers waren sie nicht wirklich aufgeregt, und doch war eine solche Beschattung auch für sie nicht alltäglich.
»Nach den Fotos wird mein Koch das Essen servieren«, sagte Joaquin statisch.
»Hast du die Fotos, Jerónimo? Dann maile sie uns«, drängte Sergio.
Kaum hatten sie die Fotos vorliegen gingen sie die der Reihe nach durch.
Foto 1 – 53
»Der Mann ist wirklich ein Kolumbianer. Chichitzeca hat ihn zum Gate gebracht. Er flog mit der nächsten Maschine nach Bogotá zurück.«
»So machen sie das immer. Ein kurzer Informationsaustausch und wieder weg. War ihnen wohl zu wichtig, um es zu mailen.«
»Der Kolumbianer sieht aus wie ein Schurke.«
»Er ist ein Schurke. Mafia. Sicherlich.«
»Können wir seine Identität herausfinden?«
»Nein! Er wird unter falschem Namen gereist sein. Wir können es ja mal versuchen. Liliana kann es. Vielleicht auch Jesús. Ich frage sie.«
»War er wirklich Cachana? Oder Kolumbianische Mafia? ELC, Comando Román Cortez, Guevarista? Chiconero? Brigado Campesina Estado? Acción Revolucionaria? Brigada Colombia?"5
Ob Chichitzecas Kontakte so weit reichen? Die Unidad Revolución 27B Colombia wurde vor ein paar Jahren aufgelöst, aber vielleicht wurde auch sie wieder reaktiviert? Die ELC akquiriert gerne Ausländer?! Boreco? Die Boreco könnte das Péncamas aus dem Ring schießen wollen? Alles ist eine Überlegung.«
Foto 54 – 57
»Was ist das für ein Gebäude?«
»Vielleicht irgendein Industriegebäude zwischen Aquascalientes und der Hauptstadt? Eines, das Chichitzeca gestern abfotografierte? León. Celaya. Salamanca. Toluca. Cuernavaca. Kann überall und alles sein. Kann auch ganz woanders sein. Das bekommen wir nie heraus. Nicht von den zwei Ausschnitten.«
Foto 58, 59
»Chichitzeca bekommt Geld.«
»Sieht nicht viel aus. Vielleicht ... Doch! Dollar sind es. Tausend Dollar. Vielleicht weniger.«
»Das ist doch nichts.«
Foto 60
»Hey, Jesús. Sie lesen gerade einen Text am Computer. Kannst du ihn vergrößern?«
»Ja. Schickt ihn mal herüber.«
Foto 61
»Der Kolumbianer überreicht Chichitzeca einen USB-Stick.«
»Chichitzeca sieht ganz anders aus als sonst.«
»Ja, er ist ganz anders.«
»Nicht schlecht.«
»Nein, echt nicht schlecht.«
Foto! 62 - 81
»Da. Chichitzeca steigt in ein Auto. Er fährt einen blauen Transporter.«
»Was für ein Modell?«
»Ist ein blauer Dodge Caravan LE.«
»Mit einem kolumbianischen Kennzeichen.«
Sie sahen sich die Bilder noch einmal an.
»Ein blauer Dodge?«, sagte Victoriano. Er schaute lauernd durch die Runde. »Der blaue Dodge mit dem schon CAMPARENA in der Hauptstadt herumfuhr? Er gehört IHM? Ausgerechnet ihm?«
»CAMPARENA?«, fragte Ricardo wach.
»CAMPARENA!«, wiederholte Victoriano.
Er schaute noch einmal durch die Runde, Ernst in den Zügen.
Sie schwiegen nachdenklich.
»Chichitzeca hat Camparena ALLEINE von Santander heraus geschleust? Dann ist ER in die Angelegenheit Camparena involviert? Dann ist die Cachana in die Angelegenheit Camparena involviert?«
Der Satz stand im Raum wie eine kleine, scharfe Bombe.
»Oder Chichitzeca spielt ein intrigantes Spiel? Ist Chichitzeca ein Mann von Santander oder einer der Cachana?«
Sie entwarfen horrende Szenarien, die nach allen Richtungen explodierten.
»Ah, Unfug«, mischte sich Iñigo schließlich ein. »Ihr bauscht es auf.« Er lachte: »Stellt euch einmal etwas ganz anderes vor: Chichitzeca versucht bei Santander einen Job zu bekommen und über seinen kolumbianischen Freund eine neue Identität. Vielleicht will er auch nur ohne Probleme nach Peru zurück. Jeder an seiner Stelle würde das so machen. Richtet ihn nicht, bevor ihr nicht konkrete Beweise habt.«
»Gut!«, antwortete Victoriano. »Durchsuche seine Sachen, mi barón. Suche diesen USB-Stick, den der Kolumbianer ihn überreicht hat. Dazu gehört mindestens ein Laptop. Wenn Chichitzeca Camparena nach Choluteca geschleust hat, wenn er hier in in Mexiko mit diesem blauen Transporter fährt, dann braucht er gültige Papiere. Einen Pass, einenFührerschein, Fahrzeugpapiere. Irgendwo muss er diese Papiere verstecken."
»Er hat keinen gültigen Pass, mi general«, beteuerte Ramón.
»Es gibt einen, mi barón«, widersprach Victoriano vehement. »Ich weiß das, vertraue mir! Chichitzeca hat diesen Gangster vom Flughafen nicht das erste Mal in Mexiko getroffen. Irgendwoher kommt der blaue Dodge Caravan mit dem kolumbianischen Kennzeichen.«
»Weil er DEN nicht hatte, als er zu uns kam«, bestätigte Ramón. »Siehst du, mi general! Ich sage doch, Chichitzeca hat begonnen ein intrigantes Spiel zu spielen.«
»Finden wir Laptop, USB-Stick, Ausweise und Kamera. Finden wir diesen blauen Dodge Caravan. Wir werden ihm einen Ortungschip anhängen, falls Chichitzeca zur nächsten Überlandfahrt aufbricht«, ergänzte Sergio kalt.
»¿¡Alerta roja?!« Iñigo lächelte freundlich in die Runde. »Wie gerne hörte ich das doch in meiner Jugend. Und seid nicht so streng! Chichitzeca ein junger, wilder Mann. Vielleicht sieht er alles anders. Wir sollten ihn vorerst nur beobachten. Freunde! Wir sind Aktivisten und keine Mafia. Wir haben kein Recht, seine Privatsphäre anzutasten.«
»Mi barón! Du hörst es: Sei ein wenig diplomatisch. Beobachte ihn vorsichtig, aber versuche auch nett zu sein. Er soll nicht das Gefühl haben, wir wären gegen ihn. Kannst du das, mi barón, oder fällst du wieder mit der Tür ins Haus?«, spöttelte Victoriano.
»Aber mi general. Was unterstellst du mir immer? Wir beide haben fast Freundschaft miteinander geschlossen.«
»Fast reicht nicht!«, sagte Ricardo. »Fast verraten ist verraten!«
***
»Neal!«, begrüßte Ramón ihn fast schon zu überschwänglich. »Du bist mit den Kindern spazieren gefahren? Hat es dir gefallen? Möchtest du nicht das nächste Mal den Farmjeep nehmen? Das ist doch viel bequemer als der Zug.«
»Danke, Don Ramón. Es geht schon«, antwortete Neal.
Warum schaut er mich so merkwürdig an?
Ramón blickte unbewegt zurück. Er merkt auch jeden Blick! Jetzt, wenn man es weiß, wer dahintersteckt, ist alles anders.
Don Diego winkte vom Weiten und näherte sich schnellen Schrittes.
»Ah, señor Chichitzeca! Ich möchte, dass sie bitte in fünf Minuten bei der Trainingsbahn sind. Julián ...«
Ramón schaute genervt. Papá! Du platzt im falschen Moment herein ... Gerade wollte ich ihn mir vornehmen.
Ende der Leseprobe
1Chibcha Uw Cuwa: Hallo!
2Chibcha Uw Cuwa: Tschüss!
3Port./Bras.: Nein. Ich bin kein Verbrecher...Vagabund! Ich bin kein Dieb, Einbrecher, Eindringling! Ich bin kein Schurke oder Halunke! Ja!
4 Quechua und Spanisch: Wie schade!
5 Aufzählungen von fiktiven Revolutionsbewegungen in Kolumbien
Die Übersetzung der Fußnoten 1 und 2 sind aus dem Diccionario Bilingüe Uw Cuwa (Tunebo) von Edna Romayne Headland. Das Buch wurde vom El Instituto Lingüístico de Verano und SIL zur Verfügung gestellt. Die Lizenz ist unter „FAIR USE”. Vielen Dank!
Alle im Buch befindlichen Handlungen, Namen und Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, Namen oder Handlungen sind unbeabsichtigt und rein zufällig. Städte und Landschaften beugen sich der Fiktion.
bedeutet etwa »Gefahr haben«. Der Begriff entstammt dem Zapoteco Yatzachi, einer Sprache der First Nations aus Oaxaca in Mexiko.📓 Die Übersetzung ist aus dem Diccionario Zapoteco de Yatzachi von INEZ M. BUTLER H. und wurde vom El Instituto Lingüístico de Verano und SIL zur Verfügung gestellt. Die Lizenz ist unter „FAIR USE”. Vielen Dank!
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